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Wo das Evangelium Alltag wird
Der Verein ELIJAH hilft verwahrlosten Roma-Kindern und ihren Familien in Siebenbürgen aus dem Elend heraus.
von Teresa Czernin
Freitag, 11. Juli 2025
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Die Kinder haben den Winter gemalt, Schneeflocken aus Krepppapier tanzen an der Decke, selbstgebastelte Tiere sind in ihrem Zoo ausgestellt. Sie sitzen auf 16 kleinen, in einem Kreis aufgestellten Stühlen, im Kindergarten des Vereins ELIJAH. Er liegt in Nou, einem Dorf im Herzen Siebenbürgens in Rumänien.
Die Kleinen folgen gespannt den Bewegungen ihrer Pädagogin Minodora: Klatschen, mit den Füßen stampfen, die Arme hochheben. Der Boden bebt unter dem Getrappel der kleinen Füße. Mit jener den Kindern eigenen Selbstverständlichkeit spielen und lernen sie und vergessen, dass vor den Fenstern des Kindergartens, im Roma-Viertel des Dorfes, eine ganz andere Realität auf sie wartet. Eine Realität, in der Schule lange Zeit keine Rolle gespielt hat, weil die Mütter entweder überfordert oder die Väter abwesend waren. Meist beides. Ein Leben, in dem Kinder durch frühes Verheiratet-Werden, Gewalt, Not und Bildungsarmut schnell in eine Abwärtsspirale geraten. Wenn es nicht Menschen gäbe, die sie mit ganzer Kraft vor diesem Schicksal zu bewahren suchten. Menschen wie Minodora.

Pater Georg Sporschill SJ mit Kindern. Foto mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt vom ELIJAH Soziale Werke.
Minodora ist eine junge Frau. Ihr langes, dunkles Haar hat sie zu einem schlichten Zopf zurückgebunden. Sie hat einen aufmerksamen, heiteren Blick. Ihr Gesicht wirkt ruhig und konzentriert, mit der stillen Stärke eines Mädchens, das früh gelernt hat, Verantwortung zu tragen. Minodora wuchs selbst im Roma-Viertel von Nou auf. Doch anders als die meisten ihrer Freunde, hatte sie das Glück eine Mutter zu haben, die als Lehrerin arbeitete. Diese war eine der ersten Mitarbeiterinnen von ELIJAH und nahm die Tochter einfach mit. So konnte Minodora in der Musikschule Saxofon lernen, kam zur Hausaufgabenbetreuung, wurde gefördert – und blieb. Heute unterrichtet sie im Kindergarten, gibt Fortbildungskurse für Kolleginnen und ist zu einer nicht wegzudenkenden Größe bei ELIJAH geworden. Mütter fragen sie um Rat, sie engagiert sich im Dorf.
Von Geschichten wie jener von Minodora erzählen die wöchentlichen Bimails des Vereins ELIJAH. Diese kurzen, per E-Mail verschickten Impulse verbinden biblische Worte mit konkreten Erfahrungen aus der Arbeit mit den Roma-Familien in Siebenbürgen. Dabei geht es nicht um theologische Abhandlungen, sondern um lebendige Deutungen: Was bedeutet ein biblischer Vers, wenn er auf ein Kind trifft, das nach einem Instrument greift, anstatt auf der Straße zu betteln? Wie klingt ein Psalm, wenn er in einem Raum ertönt, in dem vorher Chaos und Hoffnungslosigkeit herrschten?
Jedes Bimail ist wie ein kleiner Spiegel, in dem sich das Evangelium im Siebenbürger Alltag zeigt – manchmal hart, oft berührend, immer zum Weiterdenken. Das Team um Ruth Zenkert und Pater Georg Sporschill SJ wählt jede Woche einen Bibelvers aus und verbindet ihn mit einer Erfahrung aus den Projekten vor Ort. Zwischen den Zeilen erahnt man die Verantwortung, die jeder der 80 Mitarbeiter von ELIJAH trägt.
Diese Verantwortung prägt die Arbeit des Vereins seit seiner Gründung durch Ruth Zenkert und Pater Georg Sporschill SJ in den eiskalten Wintermonaten des Jahres 2012. Sie wollten den vergessenen Roma-Kindern im rumänischen Siebenbürgen helfen – jenen, die in Hütten ohne Strom aufwachsen, ohne Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung oder sozialer Anerkennung. Aus einem anfangs provisorischen Trommelkurs – einer Idee von Ruth, um die Kinder in die Dorfschule zu locken – sind mittlerweile zwei Musikschulen entstanden. Der Verein arbeitet an sechs Orten, betreibt vier Sozialzentren, einen Zufluchtsort für Frauen, zwei Schülerwohnheime, zwei Notstellen für Obdachlose und bietet über 100 Familien ein Zuhause.
Der Name Elijah ist dabei mehr als eine biblische Referenz. Er ist Programm: wie der alttestamentliche Prophet kämpft der Verein für Gerechtigkeit, gegen Ausgrenzung, für die Ärmsten. Die Projekte zeigen: Veränderung ist möglich – nicht durch bloße Hilfsprogramme, sondern durch nachhaltige Beziehungen, durch Bildung, durch das Vertrauen, dass selbst ein schwaches Kind zu einer Hoffnungsträgerin werden kann.
Minodora ist der lebende Beweis. Sie wurde gesehen, gefördert, begleitet – und heute trägt sie andere. Ihre Geschichte ist kein Einzelfall. Viele Kinder folgen ihrem Weg. Von ihnen kommt die Kraft für das Motto von ELIJAH: Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt.