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Geschaffen für die Arbeit
Vier Denker denken über den Zweck der Arbeit nach.
von Dorothy L. Sayers, Miroslav Volf, Leo Tolstoi und Franz von Assisi
Freitag, 11. Juli 2025
Verfügbare Sprachen: English
Dorothy L. Sayers
In keinem Bereich hat die Kirche ihren Bezug zur Realität so sehr verloren wie in ihrem Unverständnis und ihrer Missachtung der weltlichen Berufung. Sie hat zugelassen, dass Arbeit und Religion zu getrennten Bereichen wurden, und ist nun erstaunt, dass die weltliche Arbeit infolgedessen rein egoistischen und destruktiven Zwecken dient und der Großteil der intelligenten Arbeitnehmer der Welt religionslos oder zumindest religiös desinteressiert geworden ist. Aber ist das wirklich verwunderlich? Wie kann jemand an einer Religion interessiert bleiben, die sich um neun Zehntel seines Lebens nicht zu kümmern scheint? Die Kirche beschränkt sich in der Regel darauf, einen intelligenten Zimmermann zu ermahnen, in seiner Freizeit nicht zu trinken und keine Randale zu machen und sonntags in die Kirche zu gehen. Was die Kirche ihm sagen sollte, ist Folgendes: Die allererste Forderung, die seine Religion an ihn stellt, ist, dass er gute Tische baut.
Dorothy L. Sayers, Letters to a Diminished Church (W Publishing Group, 2004) 131–132. Übers. aus dem Englischen.

Vincent van Gogh, Acker mit pflügendem Bauren und Mühle, Öl auf Leinwand, 1889. Alle ABbildungen von WikiMedia Images (public domain).
Miroslav Volf
Wenn der sinn des menschlichen Lebens entweder in der Reflexion (wie in weiten Teilen der philosophischen Tradition) oder in der Verehrung (wie in weiten Teilen der christlichen Tradition) liegt, dann kann Arbeit nur einen instrumentellen Wert haben. Man arbeitet, um zu überleben, und man lebt, um zu denken oder zu verehren. Wenn Arbeit jedoch eine grundlegende Dimension der menschlichen Existenz ist, dann kann sie nicht nur einen instrumentellen Wert haben. Wenn Gottes Absicht für die Menschen nicht nur darin besteht, dass sie bestimmte Zustände herbeiführen (die Bewirtschaftung und Erhaltung des Garten Eden), sondern dass diese Zustände durch menschliche Arbeit (Bebauen und Bewahren) geschaffen werden, dann kann Arbeit nicht nur ein Mittel zum Leben sein, dessen Zweck vollständig außerhalb der Arbeit liegt, sondern muss als ein Aspekt des Lebenszwecks selbst betrachtet werden. Wenn ich geschaffen bin, um zu arbeiten, dann muss ich Arbeit als etwas betrachten, zu dem ich geschaffen bin, und sie daher (zumindest teilweise) als Selbstzweck betrachten. Daher kann ein Mensch kein vollwertiges menschliches Leben führen, wenn er sich der Arbeit verweigert. Das ist nicht dasselbe wie zu sagen, dass er kein vollwertiger Mensch ist, wenn er nicht arbeitet! Denn dann wären alte und kranke Menschen, die nicht mehr arbeiten können, und kleine Kinder, die noch nicht arbeiten können, keine vollwertigen Menschen. Da die Menschheit ausschließlich ein Geschenk Gottes ist, kann ein Mensch auch ohne Arbeit ein vollwertiger Mensch sein, aber da Gott ihm die Menschheit zum Teil gegeben hat, um zu arbeiten, kann er ohne Arbeit kein vollwertiges Leben führen. Es widerspricht daher dem Sinn des menschlichen Lebens, die Arbeit auf ein bloßes Mittel zum Lebensunterhalt zu reduzieren. Man sollte einen grundlegenden Aspekt des Lebens nicht zu einem bloßen Mittel zum Leben machen. So wie das gesamte menschliche Leben ein Selbstzweck ist – natürlich ohne aufzuhören, ein Mittel zur Verherrlichung Gottes und zum Wohl der Schöpfung zu sein –, so muss auch die Arbeit als grundlegende Dimension des menschlichen Lebens ein Selbstzweck sein.
Miroslav Volf, Work in the Spirit: Toward a Theology of Work (Wipf and Stock, 2001) 197. Verwendet mit Genehmigung von Wipf and Stock Publishers. Übers. aus dem Engl.

Vincent van Gogh, Der Sämann, Öl auf Leinwand, 1888.
Leo Tolstoi
Eine andere unzweifelhafte Bedingung zum Glücke ist – Arbeit: erstens angenehme und freie Arbeit; zweitens physische Arbeit, die Appetit und festen, beruhigenden Schlaf gibt. Auch hier: ein je grösseres Glück, ihren Begriffen der Lehre der Welt nach, die Menschen errungen haben, umso mehr entbehren sie auch diese zweite Bedingung des Glücks. Alle Glücklichen der Welt, Würdenträger und Millionäre entbehren, Gefangenen gleich, entweder gänzlich die Arbeit und kämpfen erfolglos gegen Krankheiten, die von Mangel an physischer Anstrengung herrühren, und kämpfen noch erfolgloser gegen die sie überwältigende Langeweile (ich sage „erfolglos“, weil die Arbeit nur dann eine freudige ist, wenn sie unzweifelhaft notwendig ist; sie aber haben nichts nötig), oder sie tun eine ihnen verhasste Arbeit, wie die Banquiers, die Prokurore, Gouverneure und Minister mit ihren Frauen, die Salons einrichten und Prachtgeschirre und Putz für sich und ihre Kinder anschaffen. (Ich sage „verhasste“, weil ich noch nie unter ihnen einem Menschen begegnet bin, der seine Arbeit gepriesen und sie mindestens mit dem gleichen Vergnügen verrichtet hätte, wie mancher Hausknecht den Schnee vor dem Hause wegfegt.) Alle diese Glücklichen, entbehren entweder der Arbeit oder sind zu einer unliebsamen Arbeit gezwungen, das heißt sie befinden sich beinahe in derselben Lage wie die Galeerensträflinge.
Lew Tolstoi, Worin besteht mein Glaube?, Übers. v. Sophie Behr, (Duncker & Humblot, 1885).

Vincent van Gogh, Ernte in der Provence, Öl auf Leinwand, 1888.
Francis of Assisi
Keiner der brüder, an welchen Orten sie auch bei anderen zum Dienen oder Arbeiten sich aufhalten, soll Kämmerer oder Kellermeister sein, noch überhaupt eine leitende Stelle in den Häusern derer innehaben, denen sie dienen. Auch sollen sie kein Amt übernehmen, das Ärgernis hervorrufen oder ihrer Seele Schaden zufügen würde. Sie sollen vielmehr mindere und allen untergeben sein, die im gleichen Hause sind.
Und die Brüder, die arbeiten können, sollen arbeiten und das Handwerk ausüben, das sie verstehen, wenn es nicht gegen das Heil ihrer Seele ist und ehrbar ausgeübt werden kann. Denn der Prophet sagt: „Weil du die Mühen deiner Hände genießen wirst, bist du selig und wird es dir wohl ergehen“. Und der Apostel: „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen“. Und: „Ein jeder bleibe bei dem Handwerk und Dienst, in dem er berufen wurde.“
Und für die Arbeit können sie alles Notwendige annehmen außer Geld. Und wenn es notwendig wird, mögen sie um Almosen bitten gehen wie andere Brüder. Und es soll ihnen erlaubt sein, das für ihr Handwerk notwendige Werkzeug und Gerät zu haben. Alle Brüder „sollen sich bemühen, mit Eifer gute Werke zu verrichten“, denn es steht geschrieben: „Sei immer dabei, etwas Gutes zu tun, damit der Teufel dich beschäftigt finde“. Und ebenso: „Müßiggang ist der Seele Feind“. Daher müssen die Knechte Gottes immer dem Gebete oder einer guten Beschäftigung obliegen.
Nicht bulletierte Regel, www.franciscan.ch