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Beeinträchtigter Erlöser
Die Wunden Gottes ermöglichen ein Leben mit unseren.
von Devan Stahl
Dienstag, 14. Oktober 2025
Anfang 20, während meines ersten Jahres an der theologischen Hochschule, wurde bei mir Multiple Sklerose diagnostiziert. Dies erschütterte mich zutiefst. Ich hatte nie darüber nachgedacht, dass ich einmal behindert sein könnte, geschweige denn, wie Gott zu Behinderung steht. Das war natürlich kurzsichtig: Nicht jeden trifft eine chronische Krankheit, aber die meisten von uns werden mit körperlichen Beeinträchtigungen konfrontiert, wenn sie nur lange genug leben. Sich mit dieser Realität auseinanderzusetzen, ist für Christen unerlässlich, denn wir erfahren Gott in und durch unseren Körper.
Meine Diagnose und unzählige neue medi-zinische Erkenntnisse bewogen mich dazu, eine Karriere in der theologischen Bioethik anzustreben. Heute arbeite ich in Forschung und Lehre und als klinischer Ethiker in einem Krankenhaus. In meiner Arbeit verbringe ich viel Zeit mit Menschen, die krank sind und vor schwierigen Entscheidungen stehen. Ich treffe Patienten und Familien, die verzweifelt sind, weil eine Krankheit ihr Leben auf den Kopf stellte. Ich treffe Ärzte, Krankenschwestern und andere Pflegekräfte, die unter einer unglaublichen moralischen Belastung stehen. Während wir mit diesem Ausmaß an kollektiver Krankheit zu kämpfen haben, fragen wir uns vielleicht: Warum lässt Gott das zu? Warum wurden unsere Körper nicht widerstandsfähiger geschaffen?
Es gab Zeiten, in denen ich mir einen anderen Körper wünschte– einen Körper, der den physischen und mentalen Anforderungen meines Lebens gewachsen ist. Ich fühle mich nie wach, stark oder koordiniert genug, um meinem Beruf und meinen Kindern gerecht zu werden. Wir sind schnell frustriert, wenn unser Körper uns im Stich zu lassen scheint. Als Christen hoffen wir, dass unsere auferstandenen Körper anders sein werden. Wir hoffen, dass im Reich Gottes unsere Gesellschaft und damit auch unsere Körper vollkommen sein werden.

Bernardo Ramonfaur, Don’t Be Afraid, It’s Me, Acryl und Öl auf Leinwand, 2020. Grafiken von Bernardo Ramonfaur. Verwendet mit Genehmigung.
In der Vergangenheit stellten sich Theologen vor, dass auferstandene Körper nicht nur vollkommen fähig und makellos sein würden, sondern auch für immer im perfekte Alter bleiben würden (wahrscheinlich 33 Jahre, das Alter Jesu bei seinem Tod). Einige vermuteten sogar, dass wir alle schlank, groß, männlich und bärtig sein würden (der Heilige Augustinus war der Ansicht, dass Bärte Männer attraktiver machen). Kürzlich stieß ich auf Schriften eines Zisterziensermönchs aus dem 12. Jahrhundert, der glaubte, dass „äthiopische Haut“ bei der Auferstehung weiß werden würde. Diese Darstellungen „vollkommener“ Körper würden heute viele Menschen verstören, aber wir sind genauso in unseren heutigen Vorstellungen von schönen, vollkommenen Körpern verhaftet. Ich kenne einige Christen, die sich nach einem jungen, schönen, athletischen, kräftigen Körper und einem scharfen Verstand sehnen. Filmstars und Profisportler vermitteln uns Vorstellungen von sogenannter körperlicher Perfektion, die für die meisten von uns in diesem Leben unerreichbar ist, und so hoffen wir stattdessen auf solche Körper im Jenseits.
Jesus hat nicht den schönen, starken, leistungsfähigen Körper, den wir uns wünschen, den zahlreichen Gemälden und Memes von Jesus mit durchtrainiertem CrossFit-Körper zum Trotz. Die Evangelien offenbaren uns Unerwartetes über den auferstandenen Körper Jesu. Bevor er in den Himmel auffährt, überrascht Jesus 40 Tage lang seine Freunde, die ihn nicht alle sofort erkennen. Maria verwechselt Jesus mit dem Gärtner, als sie sein Grab besucht, und erkennt ihn erst, als er ihren Namen sagt. Die Jünger beim Fischen erkennen Jesus am Strand erst, als er ihnen aufträgt die Netze auf der anderen Seite des Bootes auszuwerfen und sie mehr Fische fangen. Auf dem Weg nach Emmaus gehen die Jünger mit Jesus und erkennen ihn erst, als er mit ihnen das Brot bricht.
Ebenso eindrucksvoll ist, dass der auferstandene Jesus verwundet ist. Im Lukasevangelium erscheint Jesus seinen verängstigten Jüngern und fordert sie auf, seine Hände und Füße zu berühren (Lk 24,39). An diesen Stellen seines Körpers trägt Jesus die Spuren seiner Kreuzigung. Das Johannesevangelium beschreibt, wie Thomas daran zweifelt, dass die anderen Jünger den auferstandenen Jesus sahen. Thomas glaubt den anderen Jüngern nicht, bis er Jesus selbst sehen und die Wundmale seiner Kreuzigung berühren kann (Joh 20,24–25). Caravaggios Gemälde „Der ungläubige Thomas” aus dem Jahr 1602 zeigt diese denkwürdige Szene: Thomas legt seinen Finger in die offene, aber blutleere Wunde Jesu. Im Johannesevangelium muss Thomas Jesus allerdings nicht wirklich berühren. Jesus muss lediglich auf seine Wunden zeigen und Thomas ist überzeugt. Die Wunden Jesu sind Zeichen der Schande, der Bestrafung und des Todes. Und doch erkennen diejenigen, die ihn liebten, Jesus an seinen Wunden.
Warum weist der glorreiche, auferstandene Leib Jesu Wunden auf? Warum wurden diese bei der Auferstehung nicht beseitigt, geheilt oder verdeckt? Dies ist skandalös. Für die ersten Christen und die frühen Kirchenväter, die erklären mussten, warum der auferstandene Jesus keinen vollkommeneren Leib hatte, war dies nicht sofort nachvollziehbar. Auch sie sehnten sich nach körperlich vollkommenen Leibern.
Wie können wir erwarten, in der Auferstehung vollkommene Körper zu haben, wenn der auferstandene Körper Jesu so unvollkommen erscheint? Jesus sieht diese Frage voraus. Er erinnert seine Jünger daran, dass er die Schrift erfüllt. „Alles muss in Erfüllung gehen, was im Gesetz des Mose, bei den Propheten und in den Psalmen über mich geschrieben steht.“ (Lk 24,44).
Der „leidende Gottesknecht“ in Jesaja wird von Christen typischerweise als Vorwegnahme der Kreuzigung Christi verstanden: „Er hatte keine schöne und edle Gestalt, sodass wir ihn anschauen mochten. Er sah nicht so aus, dass wir Gefallen fanden an ihm. Er wurde verachtet und von den Menschen gemieden, ein Mann voller Schmerzen, mit Krankheit vertraut.“ (Jes 53,2–3). Nach Jesaja wurde der leidende Knecht gesandt, um unsere Krankheiten zu tragen. Er ist verwundet, gequält und durch seinen zerbrochenen Leib werden wir heil.
Wir hofften auf einen Adonis und erhielten einen entstellten Mann. Das sollte uns nicht überraschen. Als Gottes Volk sich nach einem starken, allmächtigen Kriegergott sehnte, erhielt es ein hilfloses Kind. Es wünschte sich einen siegreichen Herrn und erhielt einen Mann, der zu Tode verurteilt und vom Staat ungerecht gekreuzigt wurde. Wir hoffen auf mächtige auferstandene Körper, aber wir bekommen einen verwundeten gezeigt. Der auferstandene Körper Jesu unterscheidet sich nicht sehr von seinem sterblichen Körper. Er kam verletzlich in die Welt und verlässt sie mit den Spuren dieser Verletzlichkeit. Unser Gott ist nicht der Gott der Stärke und Macht, sondern der Gott der Verletzlichkeit, manche könnten sogar sagen, der Gott der Behinderung.
Der Bibelwissenschaftler Jeremy Schipper behauptet, dass in der Übersetzung von Jesaja 53 Hinweise auf Behinderungen verloren gegangen sind. Wenn Jesaja sagt, dass der leidende Gottesknecht geschlagen ist, bezieht sich das Wort in der hebräischen Bibel auf eine entstellende Hautkrankheit; die Begriffe, mit denen der leidende Gottesknecht als entstellt und gebrechlich bezeichnet wird, sind im Hebräischen normalerweise kranken Tieren vorbehalten, die für Opfer ungeeignet sind. Wenn beschrieben wird, dass er seinen Mund nicht auftat, wird dies mit Stummheit assoziiert, und wenn Jesaja sagt, der Knecht sei verstoßen, spiegelt er die sozialen Erfahrungen von Menschen mit Behinderungen an anderer Stelle in der Bibel wider. Wenn der von Jesaja beschriebene leidende Knecht tatsächlich Jesus ist, sahen die Propheten voraus, dass er behindert sein würde.
Gott als behindert zu bezeichnen, wird wahrscheinlich einige Menschen verstören. Unser allmächtiger, allwissender Gott kann nicht behindert sein. Er weiß alles, sieht alles, erschafft alles. Aber wie können wir uns mit einem allmächtigen Gott identifizieren, der nichts von unserem Leiden weiß? Der leidende Christus war in der Geschichte immer ein Trost für die Leidenden. Der allmächtige Gott, der alles aus dem Nichts erschaffen hat, gab alles auf, um wie wir zu sein. Um zu leiden, wie wir leiden, um zu sterben, wie wir sterben werden.
In einer Zeit der Seuche, Krankheit und Verzweiflung brauchen wir einen leidenden Gott, der unser Leiden versteht. Einen verletzlichen Gott, der unsere Verletzlichkeit auf sich nimmt und sie in den Himmel trägt. Der historische Jesus mag aus unserer Gegenwart verschwunden sein, aber er hat uns nicht vergessen oder verlassen.
Die behinderten-theologin Nancy L. Eiesland kämpfte jahrelang darum, sich in der Kirche zugehörig zu fühlen. Sie wurde mit einer Knochenerkrankung geboren, die chronische Schmerzen und eine Mobilitätseinschränkung verursachte, und war gewohnt zu hören, ihr Körper sei fehlerhaft und unvollkommen. Hatten sie oder ihre Eltern gesündigt und ihre Behinderung war die Folge davon? Oder war diese eine Konsequenz des Sündenfalls, unserer kollektiven Erbsünde? Wenn sie nur genug Glauben hätte, würde sie geheilt werden. Vielleicht gab Gott ihr eine Behinderung, um ihren Charakter zu stärken. Vielleicht war ihr Leiden tugendhaft. Schließlich gibt Gott uns nie mehr, als wir ertragen können. Und spätestens bei der Auferstehung würde sie geheilt werden.
Solche Plattitüden und Gottesrechtfertigungen halfen Eiesland nicht, eine Beziehung zu einem allmächtigen Gott aufzubauen. Warum neigten Menschen so dazut, ihren Körper mit Sünde oder Tugend in Verbindung zu bringen? Warum hatte Gott sie so geschaffen? Und wenn ihr auferstandener Körper im Himmel nicht mehr behindert wäre, wie würde Gott sie dann erkennen? Wie würde sie sich selbst erkennen?
Dann hatte Eiesland eine Erleuchtung: Gott erschien ihr in einer Vision in einem „Sip-and-Puff“-Rollstuhl, wie er von Querschnittsgelähmten benutzt wird, die sich durch Blasen und Saugen an einer strohhalmartigen Vorrichtung fortbewegen können. Dies war nicht der allmächtige, selbstgenügsame Gott, der ihr immer vermittelt wurde. Dieser Gott war aber auch kein erbärmlicher, leidender Diener. Stattdessen sah sie den behinderten Gott als Überlebenden, der nicht mitleiderregend war sondern direkt und offen. Dies war ein Gott, mit dem Eiesland sich identifizieren konnte, denn dies war ein Gott, der ihr Leiden kannte. Der behinderte Gott bemitleidete sie nicht, sondern verherrlichte ihren Körper.
Der auferstandene Jesus bezeugt Gottes Verheißung, bei uns zu sein, so wie wir sind.
Der auferstandene Jesus bezeugt Gottes Verheißung, bei uns zu sein, so wie wir sind. Eiesland schreibt: „Indem er seinen erschrockenen Freunden seine verletzten Hände und Füße zeigt, offenbart sich der auferstandene Jesus als der behinderte Gott . . . und der behinderte Gott offenbart, dass volle Menschlichkeit und die Erfahrung von Behinderung miteinander vereinbar sind.“ Indem er seine Jünger auffordert, seine Hände und seine Seite zu berühren, überwindet Jesus die Tabus der Behinderung. Seine Wunden verbinden seinen auferstandenen Körper mit seinem irdischen Körper und mit seinen Freunden – wir erkennen Jesus an seinen Wunden.
Der behinderte Gott war auch für mich eine gute Nachricht, als ich zum ersten Mal auf Eieslands Buch stieß. Ihre Vision eines behinderten Gottes half mir zu erkennen, dass meine eigenen Behinderungen mich mit Christus verbinden. Eiesland zeigte mir einen Gott, der durch die Kreuzigung behindert wurde und in seinem verherrlichten Körper entstellt bleibt. Ich bin mir nicht sicher, ob Gott meine Behinderung verursacht hat, aber ich weiß, dass Gott bei mir ist, weil Gott versteht, was es bedeutet, in einem zerbrechlichen, begrenzten Körper zu leben. Ich weiß nicht, wie mein auferstandener Körper aussehen wird, aber ich weiß, dass er wie der Körper Jesu sein wird.
Alle unsere Körper sind heilig; nicht trotz sondern weil wir begrenzte und zerbrechliche Geschöpfe sind. Es ist nicht immer angenehm, in solchen Körpern zu leben. Tatsächlich ist das Leben in jedem Körper manchmal schmerzhaft und schwierig. Aber wir können Trost darin finden, dass Christus unseren Schmerz kennt, weil er ihn auch selbst erlebt hat. Der fleischgewordene, historische Jesus mag aus unserer Mitte verschwunden sein, aber der Körper Christi bleibt behindert, weil es unter uns behinderte Christen gibt. Wir sind der Leib Christi. Wir, die wir behindert sind, müssen unsere Behinderungen nicht überwinden, um in Christus zu sein. Diejenigen, die nicht behindert sind, müssen unsere Körper nicht „wegbeten“. Tatsächlich treten wir in den Leib Christi ein, indem wir ihn in der Eucharistie immer wieder brechen. Der gebrochene, behinderte Leib Christi nährt uns, damit wir den Dienst Christi weiterführen können. In dem gebrochenen Leib Christi werden wir ganz.