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Annoor: Heilen aus Liebe
Ein Krankenhaus in Mafraq, Jordanien, behandelt Tuberkulosepatienten.
von Heather M. Surls
Dienstag, 14. Oktober 2025
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Freitagmorgens schläft die stadt Mafraq. Es ist der erste Tag des Wochenendes in Jordanien; mittags strömen Männer und Jungen in die Moscheen zum Gebet, bevor sie zum Mittagessen zu ihren Familien heimkehren. Für gewöhnlich sind die engen, staubigen Straßen des Stadtzentrums voller hupender Fahrzeuge, doch an diesem Morgen bleiben die Geschäfte geschlossen und die Autos stehen.
Für Laith Sahawneh, den Leiter des Annoor Sanatoriums, sind Freitagvormittage alles andere als still. Das Telefon in seinem Büro am Rand der Stadt klingelt unaufhörlich, sein Handy summt mit eingehenden Nachrichten. Apotheker, Ärzte und sogar Patienten schauen bei ihm vorbei, bitten um Auskunft und holen sich Rat. Die Fachklinik für Lungenerkrankungen ist auch am Wochenende offen, um Patienten zu versorgen, die von Sonntag bis Donnerstag arbeiten müssen.
„Unser Ziel ist es, so viele Patienten wie möglich zu versorgen“, erklärt Sahawneh, ein jordanischer Christ.
Mit sechs Untersuchungsräumen, einem Labor und einer Apotheke, so Sahawneh, behandelt das Klinikpersonal derzeit durchschnittlich 200 ambulante Patienten pro Woche. Bevor während der Covid-19-Pandemie ein telefonisches Terminsystem eingerichtet wurde, um Menschenansammlungen zu vermeiden, ging es bei der Patientenaufnahme hektischer zu. Manchmal standen schon vor Tagesanbruch mehr als 100 Hilfesuchende vor dem Tor des Krankenhauses Schlange, erinnert sich Sahawneh.

Das Verwaltungsgebäude des Annoor Sanatoriums. Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung der Mafraq Sanatorium Association..
Patienten mit chronischen Lungenkrankheiten wie Asthma, Lungenfibrose, Brucellose und Tuberkulose suchen Annoor auf, ein Name, der auf Arabisch „das Licht“ bedeutet. Sie kommen nicht nur aus ganz Jordanien, sondern auch aus Ländern wie dem Irak, Saudi-Arabien und dem Jemen, angezogen vom ausgezeichneten Ruf des Krankenhauses. Die Ärzte von Annoor hören zu, statt vorschnell zu diagnostizieren und zu behandeln. Das Personal begegnet seinen Patienten mit Freundlichkeit und Liebe. Muslimische Patienten erlauben den christlichen Ärzten, für sie zu beten. Annoor ist ein Ort der Heilung.
Sahawneh zufolge haben die meisten Patienten, die kommen, bereits mehrere Ärzte konsultiert, ohne Erfolg. Daher sind 90 Prozent der Fälle, die in die Klinik kommen, sehr schwierig zu behandeln. Die schwersten Fälle werden stationär aufgenommen. Der Großteil leidet an Tuberkulose (TB), einer bakteriellen Erkrankung, die die Lunge „wie ein Terrorist angreift, der Bomben wirft und kämpft“, beschreibt Sahawneh. Die Krankheit, an der 2022 etwa vier von 100.000 Menschen in Jordanien erkrankten, kann durch eine sechsmonatige strikte Antibiotika-Therapie behandelt werden.
Multiresistente TB-Fälle sind komplizierter und stellen das Ärzteteam, derzeit eine Gruppe von sechs Ärzten aus Ägypten, Korea, den Vereinigten Staaten und Großbritannien, teilweise vor Rätsel. Aus menschlicher Perspektive erscheint Heilung in solchen Fällen manchmal unmöglich. Aber in Annoor geschehen Wunder – keine Zauberei, wie manche Patienten vermuten. „Gott selbst greift ins Geschehen ein,“ sagt Sahawneh, „manchmal auch ohne den Einsatz von Medikamenten.“
Ein flur in der nähe der Männerstation führt zu Nasri Khourys Büro, das mit Kisten und ungenutzten medizinischen Geräten eher einem Lagerraum gleicht. Fotos der jordanischen Königsfamilie und der Gründer von Annoor hängen an den Wänden. Auf einem Stuhl türmen sich Bibeln.
Seit der Eröffnung 1965 in einem kleinen Gebäude in Mafraq mit knapp 200 Quadratmetern hat Khoury, den alle als Abu Steve kennen, Gottes wundersames Wirken in Annoor miterlebt. Die Stadt hatte damals weniger als 7000 Einwohner, fünf Autos und fünf Fernsehgeräte. „Ich habe sie selbst gezählt“, erzählt er mit einem strahlenden Lächeln.
Khoury berichtet mir von den Anfangsjahren des Krankenhauses, während er auf einem kleinenBrenner Kaffee zubereitet. Herb Klassen, der Geschäftsführer von Annoor, erzählt mir später, dass Khoury in 35 Jahren die Kunst perfektioniert hat, Patienten die Botschaft von Gottes Liebe in genau der Zeit zu erzählen, die man zum Kaffeekochen braucht.
Obwohl er Christ ist und die meisten seiner Patienten Muslime, betrachtet Khoury die Liebe Gottes als eine Kraft, die diese Grenzen überwindet. „Der Engel kam, um uns einen Heiland zu verkünden, nicht das Christentum“, sagt er. „Wir sind hier, um die Frohe Botschaft zu verkünden.“

Aileen Coleman (rechts) und Dr. Eleanor Soltau vor dem ursprünglichen Gebäude des Annoor Sanatoriums.
Khoury wuchs in Beit Sahour auf, einem christlichen Dorf nahe Bethlehem, und absolvierte seine Krankenpflegeausbildung am Baraka Krankenhaus für Lungenkrankheiten in Arroub, südlich von Bethlehem. Dort begegnete er Aileen Coleman, einer australischen Krankenschwester und Hebamme, sowie Eleanor Soltau, einer amerikanischen Lungenärztin. Die beiden alleinstehenden Frauen fühlten sich von Gott berufen, den Beduinen zu dienen, die sich aufgrund ihrer Armut und ihres nomadischen Lebensstils oft nicht vollständig von der TB erholen.
Als Coleman und Soltau aufgrund theologischer Differenzen mit der Leitung von Baraka das Krankenhaus verlassen mussten, vertrauten sie Khoury an, dass sie die Gründung eines Lungensanatoriums in Jordanien planten und auf seine Mitarbeit hofften.
In Jerusalem traf Coleman bald darauf Lester Gates, einen kürzlich verwitweten Landwirt aus Ohio. Gates war von Colemans Krankenhausvision begeistert und reiste nach Jordanien, um beim Aufbau zu helfen. Geplant war ein Aufenthalt von sechs Monaten, doch Gates blieb schließlich 22 Jahre und errichtete Annoor mit eigenen Händen und Mitteln.
Währenddessen hatte Khoury eine gut bezahlte Anstellung an einem Krankenhaus in Saudi-Arabien angenommen. Als ihn die Nachricht von Coleman und Soltau erreichte, dass sie in den Nahen Osten zurückgekehrt waren, bat er um einen Monat Urlaub, um nach Mafraq zu reisen. Sein Arbeitgeber gab diesem Wunsch nach, sorgte aber gleichzeitig vor: Er buchte Khourys Rückflug und ließ dessen Apartment im Wohnbereich des Krankenhauses komplett neu ausstatten.
Einige Wochen später betete Khoury in Annoor gemeinsam mit Gates um Klarheit für Khourys Zukunft. Khoury berichtet, dass er Gottes Gegenwart deutlich im Raum spürte. Er wusste jetzt, welchen Weg er einschlagen sollte.

Abu Steve mit einem Patienten.
„Ich habe das Rückflugticket genommen und verbrannt“, erklärt er.
In den späten 1960er Jahren benötigte Annoor mehr Platz. Gates und Khoury borgten sich den Krankenwagen und fuhren damit herum, bis sie das Grundstück entdeckten, das Gott Gates in einem Traum gezeigt hatte: rund zehn Hektar brachliegendes Land nahe Mafraq, welches dem Bürgermeister der Stadt gehörte.
Khoury hatte Bedenken sich an den Bürgermeister zu wenden. Aber als Khoury diesem am nächsten Tag erklärte, dass Annoor ein Grundstück für eine größere Klinik benötigte, musste er nicht einmal fragen.
„Ich hätte da etwas“, bot der Bürgermeister an.
Annoor erwarb das Land für nur 2.000 Dollar. Gates pflanzte sofort wie verrückt Bäume – 8000 Kiefern, gespendet vom jordanischen Landwirtschaftsministerium gespendet, dazu Hunderte von Oliven- und Obstbäumen. „Je mehr Bäume wir pflanzen, desto mehr Seelen werden zum Herrn kommen“, begründete Gates sein Handeln.
Obwohl die Regierung behauptete, dass auf dem Grundstück sicher kein Wasser zu finden sei, führten sie eine Bohrung an der Stelle durch, die Gott Gates offenbart hatte, und stießen tatsächlich auf eine Wasserquelle. Und seit dem Jahr 1973 versorgt sich das Krankenhaus mit Wasser aus dem eigenen Brunnen.
„Es ist etwas Wunderbares, auf Gottes Wegen zu wandeln“, bemerkt Khoury. „Wenn wir auf Gottes Wegen gehen, fügt sich alles zum Guten.“
Heute ist coleman 94 jahre alt und lebt in einem einstöckigen Kalksteinhaus zwischen den Olivenbäumen, die Gates gepflanzt hat. Sie begrüßt mich, als ich in ihren geräumigen, lichtdurchfluteten Wohnraum eintrete. Sie sitzt in einem Sessel, gekleidet in ein schwarzes, mit blauer Seide besticktes arabischen Gewand. „Hierin werden sie mich eines Tages beerdigen“, sagt sie mit einem Augenzwinkern.
Anlässlich seines silbernen Thronjubiläums würdigte König Abdullah II. von Jordanien im Jahr 2024 Colemans mehr als 50-jährige Tätigkeit für das Haschemitische Königreich mit der silbernen Verdienstmedaille. Sie ist auf einen Rollstuhl angewiesen, besucht aber dennoch zweimal pro Monat Beduinen Familien in deren Zelten.
Coleman verbrachte Jahrzehnte damit, sich in die Beduinenkultur einzuleben, um ihnen die Liebe Gottes nahezubringen, und war Pflegemutter für mindestens neun Beduinenkinder.
„Um den Beduinen medizinisch wie geistlich wirklich zu helfen, müssen wir sie einfach lieben und ihre Lebensweise respektieren“, betont sie. „Nicht sie, sondern wir müssen uns ändern. Es hat lange gedauert, bis ich das erkannt habe.“
Annoor hat sich durch sein offenes christliches Bekenntnis den Beinamen „das predigende Krankenhaus“ erworben. Im Wartezimmer läuft pausenlos ein beliebter Film mit biblischen Geschichten. An fünf Abenden pro Woche können stationären Patienten an Versammlungen teilnehmen, bei denen geistliche Lieder gesungen und Bibeltexte gelesen werden.
Als Mitbegründerin von Annoor genießt Coleman ungeachtet religiöser Differenzen allgemeine Wertschätzung. Während des Bürgerkriegs in den 1970er Jahren, als die jordanische Regierung gegen die PLO kämpfte, schwor einer der örtlichen Stämme, Coleman, Soltau und das Krankenhaus zu beschützen. Als sie 1996 einen schweren Verkehrsunfall erlitt, stellten sich 15 Beduinen als Blutspender für Coleman zur Verfügung. Der inzwischen verstorbene König Hussein übernahm ihre Krankenhausrechnung.
Colemans Antwort auf meine Frage, was Patienten, Freiwillige und Ärzte aus der ganzen Welt nach Annoor führt, ist einfach: „Liebe. Wir lieben sie.“
Auf dem weg zu colemans Haus spreche ich mit Heather Klassen, der Ehefrau von Herb und Pflegedienstleiterin bei Annoor. Als sie 1984 ihre Arbeit in Annoor begann, kamen die meisten stationären Patienten aus der Beduinenbevölkerung. Aktuelle Statistiken des jordanischen Gesundheitsministeriums weisen mehr als 50 Prozent der landesweiten TB-Patienten als Syrer, Bengalen oder Filipinos aus.
„Es gibt jetzt nur noch wenige Beduinen unter unseren stationären TB-Patienten, deshalb haben wir weitere Projekte gestartet“, erklärt sie.

Aileen Coleman besucht eine Beduinenfamilie in ihrem Zelt.
20 Jahre lang betreuten die Klassens eine Klinik in Ras An-Naqab, 300 Kilometer südlich von Mafraq. Diese Klinik mit Blick auf die weiten Sanddünen des Wadi Rum öffnete 1990 ihre Türen auf Initiative von Prinzessin Shareefa Zein, einer Cousine des verstorbenen Königs Hussein, die Annoors Arbeit unter den Beduinen unterstützt.
Heute betreut das Naqab-Team jeden Freitag 20 bis 40 Patienten in der Klinik. An anderen Tagen besuchen sie Beduinen in abgelegenen Gebieten, unterstützen Familien mit behinderten Kindern und leisten Palliativversorgung für Sterbende. Sie betreiben auch eine Werkstatt zur Einkommenssicherung für einheimische Frauen, in der nach traditionellen Methoden Schafwolle und Kamelhaar versponnen und verwebt werden.
„Ich möchte vergessenen und verzweifelten Menschen zeigen, dass Gott sich wirklich wie ein liebender Vater um sie kümmert“, sagt die niederländische Krankenschwester, die den Naqab-Einsatz leitet.
Von 1999 bis 2019 betrieb Annoor eine Klinik in Ruwayshid, einer Stadt nahe der jordanisch-irakischen Grenze. Zweimal monatlich legt nun ein kleines Team die 200 Kilometer lange Strecke von Mafraq nach Ruwayshid zurück, um ehemalige Patienten medizinisch weiterzubetreuen.
Am meisten liebt sie an ihrer Arbeit, sagt die norwegische Krankenschwester, die dieses Projekt leitet, die Möglichkeit, Kinder mit Behinderungen zu Hause zu besuchen, ihre Mütter zu ermutigen, Patienten über Brustkrebs und Diabetes aufzuklären und Gebet anzubieten.
„Wir möchten, dass sich dysfunktionale Familien verändern, dass Drogenabhängigkeit überwunden wird und dass Kinder mit Behinderungen würdevoll behandelt, in die Gemeinschaft integriert und nicht versteckt werden.“
2013 eröffnete ein Zahnmobil, das eigentlich nach Nordkorea sollte, aber in Dubai festsaß, einen dritten Einsatzbereich. Das Fahrzeug bietet heute Patienten des Krankenhauses und Menschen in abgelegenen Gegenden zahnmedizinische Versorgung.
Am Samstagmorgen treffe ich unter den Palmen vor der Klinik eine bunt gemischte Gruppe von Freiwilligen: ein Zahnarzt aus Mexiko und einer aus Ecuador, eine syrische Zahnarzthelferin, eine chinesische Krankenschwester, ein libanesisch-britischer Helfer und drei Jordanier. Sie lesen die Worte Jesu in Matthäus 25,40: „Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ Nach einem kurzen Gebet machen sie sich auf den Weg nach Osten. Im Licht der aufgehenden Sonne schimmert die Straße nach Zimla, einem der abgelegenen Dörfer, die das Zahnärzteteam versorgt. Nach etwa 30 Minuten wird die Straße zu einem Schotterweg. Ein Mann hütet Schafe, im Hintergrund sind Zelte zu sehen. Am Horizont tauchen Obstgärten auf – Oliven, Aprikosen, Pfirsiche und Kakis.
Nach der Begrüßung der Wartenden steigt das Team ins Zahnmobil. Die Zahnärzte können jeweils zwei Patienten gleichzeitig behandeln. Ein dritter kann drinnen warten. Das gibt den Helfern die Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen und Gottes Liebe zu vermitteln.
Draußen laden mich zwei junge Frauen in ihr Zelt ein. Auf Teppichen sitzend plaudern wir, trinken süßen schwarzen Tee aus winzigen Gläsern. Ich erlebe dieselbe herzliche Freude, die mir das ganze Wochenende bei den Mitarbeitern Annoors begegnet ist, die Liebe, die sie dazu bewegt, Menschen zu dienen, welche von der Gesellschaft kaum wahrgenommen werden.
Die Tuberkuloseraten in Jordanien sind seit den 1960er Jahren gesunken. Doch Coleman hat weitere Zukunftsvisionen. Sie träumt davon, dass Beduinenhaushalte zu lokalen Botschaftern des Evangeliums werden.
„Die ersten Schritte in diese Richtung durfte ich bereits miterleben“, sagt sie. „Gott allein gebührt die Ehre.“
Aileen Colman starb kurz nachdem dieser Artikel verfasst wurde, am 9. Juli dieses Jahres.