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    Sprechen über Gott

    Ein Dialog mit Simone Weil

    von Hendrikje Machate

    Donnerstag, 11. Dezember 2025
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    Sprechen über Gott: Ein Dialog mit Simone Weil | Byung-Chul Han | (Matthes & Seitz, 124 Seiten)

    In seinem neuen Essay Sprechen über Gott – Ein Dialog mit Simone Weil entwirft der Gegenwartsdiagnostiker Byung-Chul Han ein bemerkenswertes und erfrischendes Traktat über Transzendenz, Glaube und die Krise des modernen Daseins. Han nimmt die Gedanken der französischen Mystikerin und Philosophin Simone Weil zum Ausgangspunkt und liest sie durch die Brille unserer gegenwärtigen Leistungsgesellschaft.

    Im Vorwort schreibt Han: Simone Weil „sprach etwas in meiner Seele an, dessen ich mir bisher nicht eigens bewusst war, das ich aber ständig, ja inständig in mir trug.“ Es ist also kein Fehler, sondern gerade das Anliegen des dünnen aber dichten Büchleins, Weil sehr viel selbst zu Wort kommen zu lassen statt nur einen eigenen neuen Ansatz vorzustellen.

    Mit Bezügen zu Heidegger, Agamben, Kierkegaard, Jünger, Sartre, Lévinas und anderen faltet Byung-Chul Han Weils originäre Theorie aus, wie der Mensch seine Gottesbezüglichkeit leben kann und was ihn daran hindert. Obwohl Weil auf ihre eigene bereits sehr technisierte Lebenszeit blickt, sind ihre Gedanken heute noch genauso aktuell und drängen sich sogar noch mehr auf. Hans eigene erhebliche Kritik und Warnung vor dem digitalen Sog ist auch in diesem Essay allgegenwärtig. Die christlich-positive Sicht auf Schmerz wider die allgegenwärtige Algophobie (die krankhafte Angst vor Schmerzen), die wir von Han‘s „Palliativgesellschaft“ bereits kennen, kommt auch nicht zu kurz.

    Das kurze und bewegte Leben Simone Weils weckt, zusammen mit der Rezeption durch Han, Interesse, sich selbst mit ihren Schriften zu beschäftigen, gerade auch wegen ihrem eigenen Ringen mit dem Glauben.

    Unser Leben wird letztlich von dem bestimmt, dem wir unsere Aufmerksamkeit widmen. Dabei gilt es nach Weil, das „Ich“ aufzulösen, um an dessen Stelle Gott treten zu lassen. Gerade in einer Zeit, die uns zu maximaler Selbst-Verwirklichung, zur Manifestation unseres Wollens anleiten will, klingt das radikal und fernöstlich nach „Nirvana“, Nichtswerdung, Selbst-Entleerung. Die „Dekreation“, die Han mit Weil für nötig erklärt, bedeutet: „Wer Gott gehorcht, wer aus Liebe zu Gott sein Ich aufgibt, wird selbst göttlich.“ Es lohnt, sich auf die eigentümliche Terminologie Weils einzulassen, z.B. was Leere, was Gerechtigkeit bei ihr meint. Seitenhiebe gegen Fremdenhass und Kapitalismus gibt es dank Han dazu. Das Warten – gleichbedeutend mit Demut – soll uns eine Lösung gegen das Verschlingen unserer Aufmerksamkeit sein. Neu denken, dichten, schweigen, warten lernen, dazu versucht dieser Text anzuleiten.

    Ob das, wozu das Buch anregt, außerhalb von Klostermauer oder Einsiedelei lebenstauglich ist, muss noch diskutiert werden. Das Werk ist eine Einladung, weiter zu denken und davon durchdrungen, sein Leben zu ordnen und zu einer Stille zu finden. Wenn man sich zu sehr in Han verliert, könnte man in Untätigkeit bei der Kritik und dem Ertragen der Gegenwart stehen bleiben, anstatt ins Schaffen und Gestalten zu kommen.

     
    Von Hendrikje Margareta Machate Hendrikje Machate

    Hendrikje Margareta Machate studierte Philosophie, Germanistik und Geschichte.

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