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Ein Kissen unter dem Kopf
Zwei Freunde von Kindheit an
von André Trocmé
Donnerstag, 11. Dezember 2025
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Der französische Pastor André Trocmé (1901–1971) wurde als „Gerechter unter den Völkern“ anerkannt, weil er im Zweiten Weltkrieg Tausende Juden vor den Nazis in Frankreich rettete. Der „Apostel der Gewaltlosigkeit“ schrieb mehrere Bücher, darunter seine Memoiren, die nun erstmals auf Englisch unter dem Titel The Memoirs of André Trocmé (Plough Verlag) erschienen sind. Jedes Jahr verfasste er außerdem für die Kinder seiner Pfarre eine Kurzgeschichte rund um das Weihnachtsfest. Eine davon, aus dem Buch Von Engeln und Eseln, Geschichten nicht nur zu Weihnachten (Neufeld Verlag), dürfen wir Ihnen hier vorstellen.
In der heiligen nacht, als Jesus im Stall von Bethlehem geboren wurde, kam in Nazareth, im Haus eines Zimmermanns, noch ein anderer kleiner Junge auf die Welt.
Jesus legte man auf das Stroh in einer Krippe, während das andere Kind auf einem Daunenkissen lag, das seine Mutter ihm gemacht hatte. Man gab ihm den Namen Eliud.
Als Jesu Eltern nach Nazareth zurückgekehrt waren, verglichen die beiden Mütter ihre Kinder und freuten sich über die Gunst, die Gott ihnen erwiesen hatte.
Die beiden Buben wuchsen zusammen auf und wurden Freunde. Als echte Kinder des Orients lebten sie im Freien, in den Feldern, von wo sie ihren Müttern Blumensträuße, Vögel und Steine mitbrachten. Gemeinsam lernten sie, Schafe zu hüten und sich Flöten aus Schilfrohr zu schnitzen. Gemeinsam besuchten sie die Schule der Synagoge, buchstabierten die heiligen Texte und sagten auswendig lange Stücke aus den Gesetzen, den Psalmen und den Propheten auf.
Alle Illustrationen von Veronika Kabas. Verwendet mit Genehmigung.
Und als sie zu Jünglingen herangewachsen waren, erlernten sie auch noch zusammen das väterliche Handwerk: Beim Baumstämme behauen, Dachgestühl und Türen setzen, beim reparieren der Geräte der galiläischen Bauern wurden sie gute Handwerker.
Sie waren noch sehr jung, als der Tod ihnen ihre Väter nahm und da sie beide die ältesten Söhne einer großen Familie waren, stand nun jeder, Jesus und Eliud, an der Spitze eines kleinen Zimmergeschäftes. Sie taten sich zusammen. Ihr Ruf der Rechtschaffenheit und Genauigkeit war groß. Sie flößten jedermann Vertrauen ein.
In der Synagoge, in die sie am Sabbat gingen, hörte man sie schon respektvoll die Schrift auslegen. Man hielt sie den jungen Burschen als Beispiel vor, denn sie bemühten sich, alle Gebote Gottes zu halten.
Am Scheideweg
Als Jesus und Eliud das dreißigste Lebensjahr erreicht hatten, erfuhren sie eines Tages, dass Johannes der Täufer in der Wüste, am Ufer des Jordan predigte. Sie gingen hin und hörten ihm zu. Eliud, der von Reue erfasst wurde, empfing die Taufe und ging nach Nazareth zurück, entschlossen, sein Leben Gott zu weihen, in Erwartung der Ankunft des Messias.
Jesus empfing ebenfalls die Taufe und wir wissen auch, dass er in dem Augenblick, als er aus dem Wasser des Jordan stieg, die Stimme Gottes hörte und dass der Heilige Geist auf ihn herabkam. Dann wurde er vierzig Tage und vierzig Nächte lang in der Wüste versucht.
Als er nach Nazareth zurückkehrte, fragte ihn Eliud aus und Jesus verbarg nichts vor seinem Freund: Er enthüllte ihm, dass er der Messias sei und erzählte ihm, auf welche Weise er der Versuchung widerstanden hatte.
Eliud, von Freude erfüllt, versprach, Jesus zu folgen und ihm treu zu bleiben, was auch kommen möge.
Aber in dieser Nacht, während Eliud, den Kopf auf seinem Daunenkissen, vergeblich den Schlaf suchte, näherte sich ihm der Satan, als Lichtengel verkleidet, um ihn seinerseits zu versuchen, und sagte zu ihm: „Jesus hat sich geweigert, ein Wunder zu tun: Steine in Brot zu verwandeln. Er hat Recht gehabt, denn der Mensch muss sein Brot im Schweiß seines Angesichts verdienen. Schau die Bauern an: Aus den trockenen Steinen ihrer Felder machen sie Brot, das die Menschen ernährt. Nimm dir ein Beispiel an ihnen und du wirst von Gott gesegnet werden.“

Eliud hörte den Versucher und beschloss, sein Leben der Arbeit zu weihen.
Dann sagte der Teufel zu ihm: „Jesus hat sich geweigert, vom Dach des Tempels zu springen. Er hat Recht gehabt. Indem er sich geweigert hat, die Menge in Erstaunen zu versetzen, hat er einen Weg gewählt, der zu schmal ist für die gewöhnlichen Menschen. Er wird den Menschen die Wahrheit sagen, aber die Menschen werden ihn verachten und ihn mit ihren Beleidigungen verletzen. Es ist besser, wenn du einen leichteren Weg einschlägst. Im übrigen bist du ja nicht der Messias.“
Eliud hörte dem Teufel zu und beschloss, nie seinesgleichen zu verletzen, aus Angst, selbst verletzt zu werden.
Schließlich sagte der Teufel zu ihm: „Jesus hat die Reichtümer dieser Welt abgelehnt, die ich ihm angeboten habe. Er hat Recht gehabt. Er wird arm sein auf dieser Erde. Dir biete ich gewiss keinen Reichtum an: nur Wohlstand, der dir erlauben wird, viel Gutes zu tun. Ich verlange nicht, dass du mir dein ganzes Leben widmest. Du hast es Gott gegeben und du hast gut daran getan. Es genügt, mir – dem Mammon – jeden Tag eine kleine Reverenz zu erweisen. Während der übrigen Zeit gehörst du deinem Freund Jesus.“
Eliud hörte dem Teufel zu und da er nun seinen Seelenfrieden gefunden hatte, schlief er auf seinem Federkissen ein.
Unentschlossenheit
Einige Tage später nahm Jesus Abschied von den Seinen und brach auf nach Kapernaum, wo er seine missionarische Tätigkeit begann. Eliud besorgte während seiner Abwesenheit ihr gemeinsames kleines Unternehmen, das Zimmergeschäft. Unter seinen Händen dehnte sich das Unternehmen aus, da er ein guter Arbeiter und ein guter Geschäftsmann war. Er stellte weitere Arbeiter ein und begab sich von einer Baustelle zur anderen, um sie zu überwachen.
Doch am Sabbat ließ Eliud alle Arbeit liegen, um Gott zu dienen, entsprechend dem Gesetz. Wenn er aus der Synagoge kam, verteilte er große Almosen und er fürchtete sich nicht, lange aufrecht auf der Straße stehen zu bleiben, wenn die Stunde des Gebets kam. Man begrüßte ihn auf den öffentlichen Plätzen. Er genoss diese Ehrenbezeugungen außerordentlich.
Eliud erhielt oft Nachricht von Jesus, dessen Erfolg er bewunderte: „Wir sind beide von Gott gesegnet“, dachte er. „Wir sind Privilegierte. Danken wir Gott dafür!“
An einem Sabbattag kam Jesus in seine Heimat zurück. Das war ein großes Ereignis. Die Menge strömte der Synagoge zu, um den Sohn des Landes zu hören, der so schnell berühmt geworden war.
Eliud setzte sich sehr stolz an seinen gewohnten Platz in der ersten Reihe. Jedermann erwartete, dass Jesus Worte des Dankes und der Ermutigung aussprach. Er las aus dem Propheten Jesaja eine Stelle, die den Messias betraf: „Der Geist des Herrn ist über mir.“ Dann erklärte er: „Heute hat sich dieses Wort erfüllt.“
Nichts konnte seinen ehemaligen Spiel- und Schulkameraden unangenehmer sein. „Was?“, murmelten sie und stießen sich mit den Ellbogen an. „Er ist der Sohn des Volkes und er behauptet, er sei der Messias!“
Eliud erregte sich auf seiner Bank und schämte sich sehr. In seinem Herzen wusste er wohl, dass Jesus recht hatte. Er hatte Lust, aufzustehen, sich an seine Kameraden zu wenden, ihnen die Rede Jesu auszulegen, die Ecken ein wenig abzurunden, um ihnen verständlich zu machen, dass er, Eliud, sein intimer Freund, bestätigen konnte, dass Jesus wahrhaftig der Auserwählte Gottes sei.

Aber Jesus, der den Widerstand fühlte, der ihm galt, fuhr fort zu sprechen, mit immer schärferen Worten: „Ein Prophet“, rief er aus, „findet nirgendwo so wenig Anerkennung wie in seiner Heimat und in seiner eigenen Familie.“ „Welch eine Ungeschicklichkeit!“, sagte sich Eliud. „Dasselbe, ein wenig taktvoller ausgedrückt …“
Im hinteren Teil der Synagoge grollte der Zorn. Als Jesus sich mit dem Propheten Elias verglich, der aus seinem Vaterland fliehen musste und von einer fremden Witwe aufgenommen wurde, kamen junge Leute nach vorn, um sich seiner zu bemächtigen. Im größten Tumult wurde der Gottesdienst abgebrochen.
Mit einem Sprung hatte sich Eliud aufgerichtet. Er erhob seinen Arm. Ein Wort von ihm hätte die Menge beruhigt. Seine Rede blieb ihm im Hals stecken. Er wollte sagen: „Halt! Legt nicht die Hand an den Gesalbten des Herrn!“ Aber er brachte kein Wort heraus. Die Furcht vor den Folgen lähmte ihn. Er sah, dass sein guter Ruf verloren war, sah sich ruiniert, wenn er mit Jesus fliehen würde, sah sich verdammt zu Abenteuern, die er so sehr fürchtete. Er ließ den Arm fallen und die jungen Leute schleiften Jesus auf den Berg, der die Stadt beherrschte. Sie wollten ihn in die Tiefe stürzen.
Eliud lief ihnen nicht nach. Niedergeschmettert, unfähig zu denken ging er nach Hause, um zu beten.
Bei Einbruch der Dunkelheit klopfte jemand an seine Tür. Es war Jesus, mit verwundetem Kopf und zerrissenen Kleidern; doch er war am Leben. Eliud umarmte ihn und lobte Gott. Er verband seine Wunden und gab ihm ein neues Gewand. Er wusste nicht, worüber er sich mehr freuen sollte: über die Befreiung seines Freundes oder über seine innere Erleichterung. Wenn Jesus tot gewesen wäre, würde er sich dafür verantwortlich fühlen. Aber Jesus war gesund und munter! Infolgedessen fühlte Eliud sich unschuldig.
In seiner Begeisterung rief er aus: „Meister, ich werde dir folgen, wohin du auch gehst!“ Jesus bot ihm mit einer Handbewegung Einhalt: „Eliud“, sagte er zu ihm, „die Füchse haben ihren Bau, die Vögel ihre Nester, aber der Menschensohn hat hier keinen Platz, wo er sein Haupt hinlegen und sich ausruhen kann.“
Und als der Messias, nachdem er etwas gegessen hatte, die Tür öffnete, um sein Amt als Wanderprediger wieder aufzunehmen, betrachtete Eliud, als er die dunkle Nacht sah und die Kälte fühlte, lange sein behagliches Zimmer: „Abgemacht“, sagte er zu Jesus, „ich komme dir morgen nach …“
Aber am anderen Morgen, nachdem er auf seinem Federkissen gut geschlafen hatte, überlegte Eliud: Musste er nicht, bevor er alles verließ, seine Angelegenheiten in Ordnung bringen, um seinem jüngeren Bruder sein Geschäft in gutem Zustand zu überlassen?
Eine Woche später war er immer noch da.
Trennung
Sein Gewissen war endgültig erleichtert (warum?), als man ihm berichtete, dass Jesus immer extravagantere Reden hielt: „Wenn einer mit mir gehen will, so muss ich für ihn wichtiger sein als alles andere in seinem Leben: wichtiger als seine Eltern, seine Frau, seine Kinder, seine Geschwister, ja wichtiger als das Leben selbst. Nur so kann er mein Jünger sein.“ Maria, die Mutter Jesu, seine Nachbarin, war darüber ganz bestürzt. Die Brüder Jesu waren empört. Sie beschlossen, mit ihr zu gehen, um ihren verrückten Bruder zur Vernunft zu bringen und dem Skandal ein Ende zu setzen, von dem alle Welt sprach.
Zwei Tage später sah Eliud sie zurückkommen: „Wisst ihr, wie er unsere Mutter beleidigt hat?“, sagten sie zu ihm. „Als wir verlangt haben, ihn zu sehen, hat er auf den Haufen von Zöllnern, Bettlern und Frauen mit schlechtem Ruf gezeigt, die ihm folgen: ›Hier‹, hat er öffentlich ausgerufen, ›das ist meine Mutter, das sind meine Brüder!‹“
Eliud war froh, Jesus nicht gefolgt zu sein: „Seine Erfolge werden ihm den Verstand geraubt haben“, dachte er. „Er respektiert nicht mehr das Gebot des Herrn, der uns lehrt, unseren Vater und unsere Mutter zu ehren!“
Und da er seit langem gegen eine sehr lebhafte Neigung zu einem schönen jungen Mädchen aus dem Dorf gekämpft hatte, deren offensichtliche Oberflächlichkeit ein Hindernis gewesen wäre, wenn er sein Leben ganz in den Dienst Jesu hätte stellen wollen, ließ er sich plötzlich gehen und entschloss sich, sie zu heiraten.
Zu Ehren seiner Verlobten baute er mit seinen eigenen Händen ein Haus am Eingang des Dorfes: das schönste, weißeste Haus von ganz Nazareth. Die Leute fanden das gut: „Das ist sein gutes Recht“, sagte man, „denn er lebt ja von diesem Handwerk.“
Seine Hochzeit wurde zu einer eindrucksvollen religiösen Feier. Er hatte auch Jesus dazu eingeladen. Der, ganz damit beschäftigt, den Armen zu dienen, ließ sich entschuldigen. Eliud war darüber gekränkt.
Seine Frau zeigte bald die Fähigkeiten einer geschickten und sparsamen Hausfrau. Sie webte schöne Kleider für ihren Mann. Sie hinderte ihn daran, sich zu überarbeiten. Eliud hatte von nun an Zeit, sich dem Studium der Heiligen Schrift zu widmen. Er wurde zu einer der bedeutendsten Persönlichkeiten der Gegend. Um seine Gewissensbisse zu beruhigen, verdoppelte er seine Andachten. Man bewunderte seine Art, die heiligen Bücher auszulegen. Er diskutierte auf gleicher Ebene mit den Schriftgelehrten und erwarb sich den Ruf eines gelehrten Rabbiners. Das verhinderte nicht, dass sein Vermögen von Monat zu Monat wuchs.

Aber im Grunde seines Herzens verbarg er eine tiefe Melancholie. Sie kam von Zeit zu Zeit wieder zum Vorschein. Dann blieb er auf seinem Lager liegen, ohne zu sprechen und verweigerte die Speisen, die seine Frau ihm brachte.
Diese begriff nicht, was ihm fehlte: „Stellt euch vor“, sagte sie zu Maria, ihrer Nachbarin, „er, der beste Ehemann und gerechteste Patron, er, der peinlich genau alle Gebote Gottes befolgt, hat Gewissensbisse! Er wirft sich vor, Jesus, diesem überspannten Jesus, nicht gefolgt zu sein.“
Eines Tages hielt es Eliud nicht mehr zu Hause. Am frühen Morgen verließ er sein Haus, ohne seine Frau zu wecken, und ging wieder zu Jesus.
„Guter Meister“, rief er aus und warf sich auf die Knie, „sag mir, was ich tun soll, um das ewige Leben zu bekommen.“ Jesus kannte Eliud. Er hatte niemals mehr von ihm verlangt, als er geben konnte: Ehrbarkeit, aufrichtige Freundschaft, nicht viel Mut.
„Du kennst die Gebote“, sagte er zu ihm, „befolge sie!“
„Aber, weißt du denn nicht“, antwortete Eliud beinahe heftig, „dass ich diese, mit dir zusammen, seit meiner Jugend eingehalten habe?“
Jesus schaute ihn an und empfand eine tiefe Liebe für seinen Freund von einst. Musste er ihn nicht zum Heil aufrufen, wie so viele andere? War nicht auch er für die Freuden des himmlischen Königreiches bestimmt?
„Wenn du vollkommen sein willst“, sagte er, „geh, verkaufe alles, was du hast und gib es den Armen. Dann komm und folge mir.“
Eliud betrachtete Jesus mit entsetzten Augen: Er sah die Füße des Propheten, verletzt von den Steinen des Weges, seine armselige Kleidung, sein müdes Gesicht. Er dachte an seine Frau, an seine Mutter, an sein Haus, an die Arbeiter, die damit rechneten, von ihm ihren Lohn zu erhalten. Er erhob sich ohne ein Wort mit gesenktem Kopf und ging fort. Seine Schritte führten ihn, ohne große Überlegung, nach Nazareth zurück.
Einige Wochen später erfuhr er mit Genugtuung durch öffentliche Gerüchte, dass Jesus jetzt in seinen Reden das heilige Gesetz des Mose angriff: die Waschungen, den Sabbat, das Fasten. Man behauptete sogar, er streite mit den Schriftgelehrten, den Pharisäern und den Vorstehern!
Das empfand Eliud wie eine persönliche Beleidigung oder vielmehr wie eine Gotteslästerung. Er fühlte sich gedrängt, die etablierte Ordnung zu verteidigen. Seine Reden waren von nun an voller Anspielungen, die wenig freundlich waren im Hinblick auf den gefallenen Messias. Am Sabbat polemisierte er in der Synagoge gegen ihn, indem er Stellen aus der Schrift zitierte. Auf diese Weise erstickte er die Proteste seines eigenen Gewissens.
Mit guten Vorsätzen gepflastert
Dann überstürzten sich die Ereignisse. Er hörte von Reisenden aus Galiläa, die vom Fest des Palmsonntags zurückgekehrt waren, dass Jesus sein messianisches Königreich ausrief und so als Triumphator nach Jerusalem eingezogen war, an der Spitze einer großen Menschenmenge. Dass seine Predigt im Tempel von Seiten der Priester auf großen Widerstand gestoßen war, und dass er, von der Verhaftung bedroht, sich jeden Abend in Bethanien verstecken musste.
Am Donnerstag zur Nachtzeit, während Jesus vor dem Hohen Rat stand, wälzte sich Eliud auf seinem Lager und konnte nicht schlafen. Er sah Jesus wieder, so wie er an seiner Tür erschienen war am Abend seiner Rede in Nazareth, bleich, mit zerrissenen Kleidern, am Kopf verwundet. Und Jesus sagte zu ihm: „Eliud, mein Freund, ich bin allein. Alle haben mich verlassen. Kommst du mir nicht zu Hilfe?“
Am anderen Morgen versuchte er vergeblich, diesen Alptraum zu vertreiben. Er sagte sich, dass Jesus, wie damals, den Händen der Peiniger entkommen werde. Indessen, als es Abend wurde, nahm Eliud alles Geld, das ihm zur Verfügung stand, und sagte zu seiner Frau: „Ich gehe morgen nach Jerusalem, um meinen Freund zu befreien, wenn sie ihn nicht schon festgenommen haben!“
Er war wirklich entschlossen, alles zu wagen, selbst das Unmögliche, um Jesus zu retten.
Mit diesem festen Entschluss legte er sich noch einige Stunden hin, mit der Absicht, sich am frühen Morgen auf den Weg zu machen.
Doch die Sonne stand schon hoch am Himmel, als er erwachte, und die schreckliche Nachricht, die mit der unglaublichen Geschwindigkeit von Mund zu Mund gegangen war, mit der sich im Orient die Gerüchte verbreiten, kursierte schon unter der Bevölkerung: Am Vortag, um drei Uhr, war Jesus am Kreuz gestorben, und sein Haupt, geschmückt mit einer Dornenkrone, hatte während seines Todeskampfes nur auf Holz geruht.

Eliud kehrte ohne ein Wort nach Hause zurück. Er erlebte die Hölle, sie klaffte unter seinen Schritten. Feigheit, Furcht vor der Meinung der anderen, Liebe zum Reichtum, Ehrgeiz, Unentschlossenheit, Stolz, Faulheit, alle diese schreienden Verfehlungen wendeten sich gegen ihn, um ihn anzuklagen. Er hatte sein Kissen und seine vielfarbigen Wolldecken weit von sich geworfen. Er hatte seine Kleider zerrissen und Asche auf sein Haupt gestreut, denn er wollte den Schmerz Jesu und den seines eigenen Gewissens auf sich nehmen. Seine Frau hörte ihn laut weinen und wagte nicht, sich ihm zu nähern.
Gegen Mittag, als er sich ein wenig beruhigt hatte, kam sie zu ihm mit einem Teller, auf dem sie seine Lieblingsspeise bereitet hatte: „Steh auf“, sagte sie zu ihm, „und iss!“ Und da er sich nicht trösten lassen wollte, nahm sie ihn in ihre Arme und flüsterte ihm ins Ohr: „Komm, fasse dich! Du siehst wohl, dass er sich getäuscht hat. Wäre er der Messias gewesen, so wäre er nicht tot. Er hätte über seine Feinde triumphiert. Aber er hat Gottes Gesetz angegriffen, und Gott hat ihn bestraft.“
„Er war mein Freund“, antwortete Eliud, „und ich hatte versprochen, ihm nachzufolgen.“
„Aber er war verrückt!“, fuhr seine Frau fort. „Gewiss, ein sehr verführerischer Verrückter, aber doch ein Verrückter. Gott hat dich mehrere Male wunderbar daran gehindert, ihm zu folgen. Schau doch, was jetzt aus ihm geworden ist. Und du hast Erfolg! Siehst du nicht an dem Erfolg deiner Unternehmungen ein Zeichen, dass göttlicher Segen darauf ruht?“
Eliud, die Augen noch nass von Tränen, setzte sich auf und aß ein wenig.
Und weil die Speise sehr gut war, fand er Gefallen daran und aß alles auf. Er betrachtete seine Frau mit traurigem und dankbarem Lächeln. Sie freute sich, dass er wieder vernünftig geworden war, und machte ihm sein Bett zurecht. „Jetzt ruh dich aus!“, sagte sie zu ihm und ging hinaus. Eliud, den Kopf auf seinem Federkissen, schlief bald einen tiefen Schlaf.
Im Grab des Josef von Arimathia ruhte Jesu Haupt auf einem Stein.
