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Das Risiko der Sanftmut
Wenn das Ja zum Leben schwerfällt
von Gracy Olmstead
Dienstag, 16. Dezember 2025
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Etwas streifte die Innenseite meines Bauches, ein sanftes Gleiten wie eine Murmel, die unter meiner Haut entlang rollte. Ein winziges Baby rührte sich in mir und begann sein abendliches Ritual wilder Bewegungen. Ich saß da und spürte, wie seine unbekannte Gestalt in mir anstieß, während ich über all das Unbekannte an diesem Kind nachdachte: wie dick sein Haar, welche Farbe seine Augen, welche Form seine Nase haben würde. Näher als ein Bruder, und geheimnisvoller als ein Fremder.
Dieses Kind hatte ich nicht erwartet. Ein Jahr zuvor hätte ich gesagt, dass ich dieses Kind nicht will. Aber seine Geschichte gehört, wie so viele, zu Gottes rätselhafter Vorsehung, die uns immer wieder verblüfft. Als die Adventszeit begann, war ich im neunten Monat schwanger und überall um mich herum sah ich Symbole der nahenden Geburt Jesu. In diesem Advent dachte ich oft über die heiligen Überraschungen nach, die wir weder erwarten noch verdienen. Im Jahr 2020 erkannte ich wie viele andere, wie oft uns die Liebe zu furchtbaren, schönen Risiken auffordert.
J. Kirk Richards, A Pearl of Great Price
Am Samstagmorgen nach Ostern, wachte ich auf und wusste, dass ich schwanger war. Die Gewissheit hatte sich über Nacht unter meinen Lidern eingenistet und war beim Erwachen zur Klarheit geworden. Ich wusste, dass ein Baby in mir wuchs – obwohl meine Zyklus-App das als unmöglich eingestuft hätte.
Als unsere kleinen Mädchen ins Schlafzimmer stürmten und aufs Bett sprangen, um ihren Papa wachzukitzeln, huschte ich die Treppe hinunter. Ich wühlte im Badezimmerschrank und fand in der hintersten Ecke einen Schwangerschaftstest. Das Ergebnis war nur Formsache, ich war nicht überrascht. Ich ging zu meinem Mann, zeigte ihm den positiven Test und brach in Tränen aus.
Als Christin und Lebensschützerin schämte ich mich, ängstlich und gestresst zu sein, als ich von meiner Schwangerschaft erfuhr. Ich glaubte mit ganzem Herzen, dass jedes Leben kostbar ist. Es gibt so viele Frauen, die nie Mütter werden. Ich wusste, dass ich nur pure Freude über dieses neue Leben empfinden sollte. Aber ich war auch müde. 2019 war ein Jahr, das mich dazu zwang, Gott um eine Atempause für 2020 zu bitten. Wir brauchten eine Auszeit von den emotionalen, gesundheitlichen, finanziellen und familiären Krisen, die unsere Tage bestimmt hatten. Doch vier Monate später fanden wir uns mitten in einer weltweiten Pandemie mit all ihren Ungewissheiten wieder. Mein Mann musste weiterhin täglich zur Arbeit fahren, während ich mit zwei lebhaften kleinen Mädchen zu Hause blieb und versuchte, Termine einzuhalten und Kinderbetreuung zu leisten. Seit Wochen fielen immer wieder Internet und Wasser aus. Meine fast zweijährige Tochter zog Risiken und Chaos wie ein Magnet an und hielt mich in ständiger Alarmbereitschaft. Es war, so fühlte ich, kein Platz für mehr da. Nicht genug Platz für ein weiteres Leben mit all seinen Schwierigkeiten und Freuden.
Ich wusste, dass ich mich für dieses Kind entscheiden würde, allen Ängsten und der Erschöpfung zum Trotz. Es stand für mich außer Frage, dass dieses Baby ein Geschenk an uns war und zu uns gehörte. Aber ich wusste auch, dass ich es damals trotz meiner inneren Widerstände annahm.
Manche christliche Lebensschützer wollen nicht eingestehen, dass es schwierig sein kann, sich für die Fortführung einer Schwangerschaft zu entscheiden. Aber dadurch versperren wir uns den Zugang zu Liebe und Mitgefühl für Frauen in Konfliktsituationen. Wir tun ihre Verletzungen, Schwierigkeiten und Ängste viel zu leicht ab. Seit jenem Apriltag musste ich oft an Frauen denken, deren Lebensumstände weit schwerer sind als meine: Frauen, für die Armut, Alleinerziehung, ein gewalttätiger Partner oder eine lebensbedrohliche Krankheit die Schwangerschaft beängstigend und gefährlich machen. Mir wurde bewusst, wie leicht man als Lebensschützer die Schwierigkeiten übersieht, ein solches verborgenes Leben anzunehmen.
Aber wer sich für das Leben entscheidet, muss Risiko und Angst in Kauf nehmen. Während uns überall suggeriert wird, dass wir die Kontrolle über unser Leben haben oder sie uns verschaffen sollten, konfrontieren uns Schwangerschaft und Elternschaft mit der Tatsache, dass wir weder allwissend noch allmächtig sind. Entgegen der gängigen Parolen ist Elternschaft nicht planbar. Manchmal entgleitet uns die Kontrolle sanft: wenn die Wehen nicht so kommen wie erwartet oder das vermeintlich „einfache“ Stillen nicht gelingt und unser Selbstvertrauen als Mutter erschüttert. Manchmal wird es tragischer: vor der Geburt entdeckte Herzfehler, plötzlicher Kindstod oder suchtkranke erwachsene Kinder. Dennoch verlangt Elternschaft, dass wir mehr Raum schaffen, als wir für möglich halten. In jeder Schwangerschaft mit ihrem Sich-Dehnen und Raum-Schaffen wird radikale Gastfreundschaft zu einer lebenden Metapher, die für uns Mütter neun Monate lang zur täglichen Wirklichkeit wird.
J. Kirk Richards, Mutter und Kind, unvollendet
Ein neues Leben anzunehmen bedeutet mehr als passives Hinnehmen. Es ist eine Tatsache, dass unser Körper sich schon vorbereitet, bevor Verstand und Gefühle überhaupt erfassen, was geschieht. Aber wenn die Realität eines anderen Lebens ins Bewusstsein dringt, muss eine neue Arbeit beginnen. Seele und Geist strecken sich ins Dunkle, ins Ungewisse vor und schaffen Platz, wo scheinbar keiner ist: in einem kreativen Akt der Gastfreundschaft, der mit dem Leib beginnt und dann alle Bereiche des Lebens erfasst.
„Sie wissen und spüren, dass die Potenz in ihnen wirkt, so wie der Akt auf sie wirkt!“, schrieb der englische Poet Coleridge von Philosophen und Raupen gleichermaßen und verglich den forschenden Geist mit jenem „Instinkt“, der die Puppe im Kokon veranlasst, Platz für zukünftige Fühler zu schaffen.
Diese Spannung zwischen der Potenz und dem Akt, dieses Schaffen von Raum durch Erwartung und Glauben, beschreibt sehr treffend wie es ist, Mutter zu werden. Einem Kind Raum zu bereiten könnte als etwas Passives erscheinen, bei der der Körper die Kontrolle übernimmt. Doch es ist das, was die verstorbene Philosophin Anne Dufourmantelle „aktive Passivität“ nannte: subversiv und radikal durch die Entschlossenheit und Resolutheit ihrer Sanftmut.
In den Monaten meiner Schwangerschaft dachte ich oft an die Jungfrau Maria, an jene mächtige Sanftmut, die ihre Mutterschaft und ihr ganzes Leben bestimmte. Keine andere Frau versteht tiefer, was es heißt, dem geheimnisvollen, schönen Kind in sich freie und offene Gastfreundschaft zu gewähren. In ihrem schlichten, doch radikalen Gehorsam, ausgedrückt in den Worten „Mir geschehe, wie du gesagt hast“, erhält die aktive Passivität neue Bedeutung und Kraft.
J. Kirk Richards, Mutter und Kind, unvollendet
„Darin liegt ihre größte Herrlichkeit: Sie besaß nichts Eigenes, behielt nichts von einem ‚Selbst‘, das sich seiner selbst wegen hätte rühmen können. Sie stellte der Barmherzigkeit Gottes kein Hindernis entgegen und widersetzte sich seiner Liebe und seinem Willen nicht“, schreibt der Trappistenmönch Thomas Merton. In Marias revolutionärer Gastfreundschaft fanden Gottes Wille und Freiheit „keinen Widerstand durch ein egoistisches Selbst, keine Ablenkung von [ihrem] Ziel.“ Sie wachte und wartete, empfing das Risiko und die Angst einer zerbrochenen Welt, die sie und ihren Sohn immer wieder heimsuchen würde, und wurde uns zum Beispiel liebevoller Aufnahme.
Dufourmantelle schreibt in Power of Gentleness (2018), dass jeder Akt menschlicher Fürsorge in der aktiven Passivität der Sanftmut und dem Willen, Raum zu schaffen, wurzelt. Durch die Macht der Sanftmut nehmen wir die Zerbrechlichkeit und Einzigartigkeit des anderen an. Aber Sanftmut bedeutet auch fürsorgliche Distanz, ein „Raum geben für das Einzigartige im anderen“, sie wahrzunehmen, wie sie sind, statt wie wir sie uns wünschen.
„Gastfreundschaft bedeutet hauptsächlich, einen freien Raum zu schaffen, in den der Fremde eintreten und kein Feind, sondern ein Freund sein kann“, so Henri J. M. Nouwen in Reaching Out: The Three Movements of the Spiritual Life (1975). „Gastfreundschaft will nicht Menschen verändern, sondern ihnen Raum geben, wo Wandel geschehen kann. Es geht nicht darum, Menschen für uns zu gewinnen, sondern ihnen Freiheit zu schenken, die nicht durch Grenzziehungen gestört wird.“ Wie gut wir den anderen auch kennen mögen, es ist immer die Berührung zwischen zwei geheimnisvollen Seelen, die uns auffordert, Distanz und Freiheit zu wahren. Obwohl „der leere Raum dazu neigt, Angst zu erzeugen liegt das Paradox der Gastfreundschaft darin, dass sie Leere schaffen will, nicht eine ängstliche Leere, sondern eine freundliche Leere, in die Fremde eintreten und sich als frei geschaffen entdecken können.“
J. Kirk Richards, Mutter und Kind, unvollendet
2020 wurde mir die Distanz und das Geheimnis zwischen Menschen noch bewusster: die Kluft zwischen Meinungen und Erfahrungen, Orten und Überzeugungen, Fleisch und Geist. Doch mit jedem neuen Monat voller Herausforderungen und seelischen Nöten spürte ich, wie etwas in mir nachgab und sich öffnete. Der Prozess war nicht fehlerfrei: Zu oft war ich wütend und gereizt, stolz oder eitel. Aber von der Einsamkeit im März bis zur zunehmenden Dunkelheit des Dezembers fühlte ich, wie sich meine Arme ausstreckten und ich sehen und lieben wollte, wie ich es vorher nicht getan hatte.
Ob wir es mit zunehmend erbitterten nationalen politischen Diskussionen oder den Unwägbarkeiten der Coronavirus-Pandemie zu tun haben, wir alle sind berufen, in unserem Leben Raum zu schaffen für eine riskante Liebe, eine kraftvolle Sanftmut, die uns mehr Gnade und Kraft abverlangt, als wir uns zugetraut hätten. Während immer neue Ungewissheiten auf uns zukommen, sind wir aufgerufen, immer wieder die Kontrolle abzugeben. Doch diese Art riskanter Liebe verlangt von uns, unsere eigene radikale Gastfreundschaft zu zeigen, online wie offline, während wir uns mit dem Geheimnis des Fremden in unserer Mitte auseinandersetzen, des unbekannten Geliebten, dem zu dienen Gott uns berufen hat.
Wir fürchten Gottes Segen mehr, als wir ihn erbitten, und wollen unsere jämmerlichen Wünsche an die Stelle seiner großartigen Güte zu setzen.
Es mag seltsam erscheinen, das ungeborene Kind als „Fremden“ zu bezeichnen, aber so ist es nun einmal. Es ist ein Schock zu sehen, wie die Hebamme oder der Arzt ein neugeborenes Baby hochhält, rot und schreiend und wirklich da. Trotz aller innigen Vertrautheit begegnen wir uns hier zum ersten Mal als getrennte Wesen. Das Neugeborene spürt die Realität unserer Trennung durch Verletzlichkeit, Kälte und Helligkeit, unangenehme Empfindungen, gelindert und gestillt durch Arme und Brüste der Mutter. Für uns als Mütter jedoch ist dies der Moment, in dem wir dem einzigartigen Menschen „Hallo“ sagen, den wir wie durch ein Wunder in uns genährt haben und der nun als eigenständiges Wesen vor uns liegt.
J. Kirk Richards, Mutter und Kind, unvollendet
Am 21. Dezember, einen Tag vor dem Geburtstermin, setzten bei mir die Wehen ein. Meine anderen beiden Babys waren verspätet gekommen, daher hatte ich gedacht, dass ich ein Weihnachtsbaby bekommen könnte. Doch mein kleiner Junge kam verblüffend schnell zur Wintersonnenwende zur Welt und ließ nur 30 Minuten vor Mitternacht seine ersten kräftigen Schreie hören, während Jupiter und Saturn einen „Doppelplaneten“ über uns bildeten. Meine wunderbare Hebamme hielt ein weinendes Baby hoch, und ich starrte es mit einem fassungslosen Lächeln an. Hier war er, der unbekannte Geliebte. Auf diese Begegnung hatte ich gewartet. Seitdem bringt er eine unbeschreibliche Freude in diese dunklen Wintertage.
Robin Wall Kimmerer erinnert uns in Geflochtenes Süßgras daran, dass unsere Neugeborenen sich vom ersten Moment, da wir sie in den Armen halten, von uns weg entwickeln werden. Doch genau das verlangt die Mutterschaft von uns: Raum zu halten, eine freie und offene Gastfreundschaft zu pflegen, in der der andere stets geliebt, aber nie besessen wird. Diese Arbeit vergleicht Kimmerer mit der Grünalge Hydrodictyon, dem sogenannten „Wassernetz“:
Hydrodictyon bietet einen sicheren Ort, eine Kinderstube für Fische und Insekten, Schutz vor Raubtieren, ein Netz der Sicherheit für die kleinen Geschöpfe des Teiches.… Doch ein Wassernetz enthält nur, was sich nicht festhalten lässt. Genauso ist es, Mutter zu sein: Wir schaffen ein Netz aus lebendigen Fäden, die liebevoll umfangen, was sie nicht festhalten können, was ihnen eines Tages entgleiten wird.
Ich halte meinen kleinen Jungen im Bewusstsein, dass diese kostbaren Tage schnell vorübergehen werden. Neue Risiken und neue Ungewissheiten werden kommen, neue Bewährungsproben für Liebe und Sanftmut. Er wird nicht immer so nah bleiben, so ganz mein, sicher in meinen Armen geborgen. Das ist die Herausforderung des Mutterseins: wild, leidenschaftlich, entschlossen zu lieben, um dann mit Gottes Hilfe loszulassen.
Ich glaube, eine unserer größten Sünden ist unsere Zufriedenheit. Wir nehmen gern ein wenig von Gottes Leben und seiner Güte, fürchten aber, er könnte uns zu viel von sich schenken. Wir haben Angst davor, wie die Fülle der Freude aussehen könnte. Wir glauben nicht, dass wir es verkraften können.
Und es stimmt, wir können es nicht. Es gibt nicht genug Leben in uns, um seinem gleichzukommen, nicht genug Freude in unseren Herzen, um seine Heiterkeit und Wonne zu begreifen. Wir fürchten Gottes Segen mehr, als wir ihn erbitten, und wollen unsere jämmerlichen Wünsche an die Stelle seiner großartigen Güte zu setzen. Wir wollen nur so weit gehen, nur so viel Raum geben. Wir fürchten sein herrliches Leben und die Wagnisse, die es uns abverlangen könnte. Wie Maria müssen wir Raum schaffen: unsere Schwachheit akzeptieren und das Geheimnis annehmen, wissend, dass Gottes Güte gerade in unserer Schwäche und Armut wirkt. Nouwen sagt es so: Erst wenn wir unsere Armut anerkennen, werden wir zu guten Gastgebern.
J. Kirk Richards, Mutter und Kind Alle Kunstwerke werden mit Genehmigung verwendet.
„Wir können den Fremden nur solange als Feind betrachten, wie wir etwas zu verteidigen haben“, schreibt er. „Aber wenn wir sagen: ‚Bitte tretet ein – mein Haus ist euer Haus, meine Freude ist eure Freude, meine Traurigkeit ist eure Traurigkeit und mein Leben ist euer Leben‘, haben wir nichts zu verteidigen, denn wir haben nichts zu verlieren, aber alles zu geben.“
Während ich jetzt hier sitze und mit meinem kleinen Sohn kuschele, denke ich an die Herberge, wo Maria und Josef gesagt wurde, dass es keinen Platz mehr gibt. Es schaudert mich, wenn ich an mein Zögern und meine Angst denke, als ich mein Herz öffnete, um Platz für dieses Baby zu machen. Mit der Verheißung im Arm, die mir jener stille Samstag im April schenkte, sind Angst und Ungewissheit einem Frieden gewichen. Wo damals Verzweiflung war, empfinde ich jetzt tiefe, stille Freude. Ich muss noch so viel wachsen, mein Herz noch so viel weiter werden. Doch ich fürchte mich nicht mehr. Willkommen, mein Kleines. Mein Haus ist dein Haus, meine Freude ist deine Freude, meine Traurigkeit ist deine Traurigkeit und mein Leben ist dein Leben.