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1525–2025: 500 Jahre Täufertum
Konrad Grebel, Felix Mantz und Jörg Blaurock: Die Taufe am 21. Jänner 1525 in Zürich.
von Martin Rothkegel
Dienstag, 14. Oktober 2025
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Zusammen mit vielen Christen weltweit gedenken wir dieses Jahr das 500. Jubiläum des sogenannten "Dritten Strangs der Reformation": die Täuferbewegung. Zu diesem Anlass schildert der langjährige Freund von Plough, der Theologe und Historiker Prof. Dr. Martin Rothkegel im folgenden Artikel die Ereignisse im Jahr 1525, die geläufig als Anfang der Täuferbewegung gelten. Wir geben seine Schilderung hier mit seiner freundlichen Genehmigung gerne weiter.
In Zürich wurde ab 1523 innerhalb weniger Jahre die Kirche zu einer kostengünstigen staatlichen Religionsanstalt umgestaltet. Der Stadtrat beschlagnahmte den kirchlichen Besitz, die Klöster wurden aufgelöst, Bilder und Altäre wurden aus den Kirchengebäuden entfernt, die Messe wurde abgeschafft und durch einen schlichten deutschen Gottesdienst ersetzt. Die Maßnahmen folgten dem theologischen Programm Ulrich Zwinglis, des populärsten Predigers der Stadt. Zwingli forderte die Abschaffung von Aberglauben und Götzendienst, die im Laufe der Jahrhunderte eingerissen seien. Da die Kirche zu korrupt sei, um sich selbst zu reformieren, sei die Durchsetzung einer gereinigten Form der christlichen Religion Aufgabe der Obrigkeit. Alle Untertanen wurden zum Gottesdienstbesuch gezwungen. Abweichende Meinungen wurden verfolgt.
Aus der Sicht einiger Unterstützer Zwinglis gingen die Reformen einerseits nicht weit genug und andererseits in die falsche Richtung. Um zwei junge Intellektuelle, Konrad Grebel und Felix Mantz, sammelte sich ein Bibellesekreis, dem sich auch der Priester Jörg Blaurock aus Graubünden anschloss. Ihre Kritik an der Zürcher Reformation spitzte sich am Thema Kindertaufe zu. Im Neuen Testament sei nicht die Rede davon, dass Säuglinge getauft werden. Nur wer selbst glaubt, könne Christ werden. Bei Zwingli und dem Zürcher Rat läuteten die Alarmglocken. Am 17. Januar 1525 wurden die Gegner der Kindertaufe zu einer Disputation aufs Rathaus vorgeladen. Jede weitere Kritik an der Säuglingstaufe wurde verboten. Vier Tage später wurden die Strafandrohungen noch einmal verschärft.

Die Reichsstadt Zürich auf einem Holzschnitt von Jos Murer 1576. Wikimedia Commons, Wikimedia Commons, gemeinfrei.
Am Abend des 21. Januar 1525 versammelten sich Grebel, Mantz und Blaurock mit Gleichgesinnten zum Gebet. In einem Bericht heißt es: „Nach dem Gebet ist Georg vom Hause Jakob aufgestanden und hat den Grebel um Gottes willen gebeten, dass er ihn wolle taufen mit der wahren, rechten, christlichen Taufe auf seinen Glauben und Erkenntnis. Und da er niedergekniet mit solchen Bitten und Begehren, hat ihn der Konrad getauft, weil dazumal kein verordneter Diener solchen Werks vorhanden war. Wie nun das geschehen war, haben die anderen sich auch an den Georg mit dem Begehren gewandt, dass er sie taufen solle, was er auch auf ihr Begehren also tat. Und haben sich also in hoher Furcht Gottes miteinander an den Namen des Herren ergeben, einer den anderen zum Dienst des Evangeliums bestätigt und angefangen, den Glauben zu lehren und zu halten.
Grebel, Mantz, Blaurock und weitere Getaufte flohen kurz darauf aus Zürich. In Dörfern des Zürcher Umlands tauften sie weitere Personen. Innerhalb kurzer Zeit breitete sich die Taufe der Gläubigen auch an anderen Orten aus. Es kam zu ersten, experimentellen Gemeindebildungen. Grebel starb auf der Flucht 1526 an der Pest. Mantz wurde in Zürich verhaftet, zum Tode verurteilt und 1527 ertränkt. Blaurock zog missionierend bis nach Tirol, wurde dort verhaftet und 1529 verbrannt. Um zu verstehen, warum die Täufer sowohl von evangelischen als auch von katholischen Obrigkeiten so brutal verfolgt und verteufelt wurden, muss man sich klarmachen, dass das Christentum über Jahrhunderte eine gewaltsame Zwangsreligion war. Die Forderung der Täufer nach Freiheit in Glaubensdingen, verbunden mit einer konsequenten Orientierung an der Bergpredigt, galt als Rebellion gegen die Grundlagen der „christlichen“ Gesellschaft.
Direkt auf das historische Täufertum gehen die Gemeinden der Mennoniten, der Hutterischen Brüder und der Amischen zurück. Täuferisch im theologischen Sinne sind darüber hinaus diejenigen evangelischen Christen, die keine unmündigen Kinder taufen, sondern nur bekennende Gläubige. Dazu zählen die Baptisten und Adventisten, aber auch Brüdergemeinden und Pfingstler. Allerdings wollten die deutschen Baptisten lange nichts mit den „rebellischen“ Täufern zu tun haben – sie hatten ohnedies schon genug Probleme mit den Behörden.
Im demokratischen Amerika betrachteten die Baptisten die Täufer dagegen schon früh als ihre Vorläufer. Durch deutschamerikanische Baptisten wie August Rauschenbusch (1816–1899), der in seinen letzten Lebensjahren am Predigerseminar in Hamburg-Horn unterrichtete, entdeckten auch die deutschen Baptisten das Täufertum für sich. Zwischen den beiden Weltkriegen erschienen hunderte von Artikeln über die Täufer in baptistischen Zeitschriften, vor allem von Wilhelm Wiswedel (1877–1962). In den 1950ern und 1960ern veröffentlichte der Oncken-Verlag eine große Zahl von Büchern über das Täufertum. In den 1970er und 1980er Jahren, den beiden letzten Jahrzehnten des Kalten Krieges, beriefen sich viele friedensbewegte Christen auf den täuferischen Grundsatz der Gewaltlosigkeit.
Das Jahr 2025 ist das Reformationsjubiläum der täuferischen Freikirchen. Zwar wird es nicht so prachtvoll ausfallen wie das Calvin-Jahr 2009, das Luther-Jahr 2017 oder das Zwingli-Jahr 2019. Ein besonderes Interesse von staatlicher Seite am Täuferjahr ist nicht erkennbar und war eigentlich auch nicht zu erwarten. Umso wichtiger ist es, dass freikirchliche Gemeinden im Jahr 2025 selbst aktiv werden und sich auf den geistlichen Aufbruch der Täufer vor 500 Jahren besinnen. Dass Christwerden und Christsein eine Sache der Freiheit ist, dass Nachfolgerinnen und Nachfolger Jesu zur Überwindung von Gewalt und sozialer Ungerechtigkeit berufen sind, ist heute aktueller denn je.