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    Auf der Suche nach Trost

    Ein Pastor, der einen Sohn durch Krebs verloren hat, beschäftigt sich mit dem Problem des Leidens.

    von Randall Gauger

    Samstag, 16. März 2024

    Verfügbare Sprachen: español, English

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    Wenn ich über das Problem des Leidens nachdenke, fühle ich mich nach Australien im November 1999 zurückversetzt. Meine Frau Linda und ich begannen gerade, uns auf dem sechs Monate zuvor gegründeten Danthonia-Bruderhof zu Hause zu fühlen. Während unsere kleine Gemeinschaft sich darauf vorbereitete, gemeinsam den ersten Advent zu feiern, erhielten wir die Nachricht, dass bei unserem zweiundzwanzigjährigen Sohn Matt, der auf einem Bruderhof in Pennsylvania lebte, ein aggressives Lymphom festgestellt worden war. Am nächsten Tag hatte unsere Gemeinschaft bereits Tickets für die Rückreise in die USA organisiert. Während des einundzwanzigstündigen Fluges sprachen wir kaum miteinander; wir hielten uns nur an den Händen und weinten. Als wir mit roten und geschwollenen Augen aus dem Flugzeug stiegen, sahen wir bestimmt furchtbar aus. Wir fühlten uns beide wie betäubt. Wie kann so etwas passieren? Warum, Gott?

    Um Weihnachten herum sah es so aus, als ob die Chemotherapie bei Matt funktionieren würde, und im Januar heiratete er seine Verlobte, Cynthia, die darauf bestand, dass keine Ungewissheit und keine Krankheit ihre Liebe aufhalten würde. Als mein Sohn an Krebs erkrankte, war ich wie vor den Kopf geschlagen. Von einem Augenblick zum nächsten war alles anders geworden, und Dinge, die ich für wichtig gehalten hatte, waren mir plötzlich egal. Mein einziger Ausweg war das Gebet. Ich begann zu erkennen, wie oberflächlich mein Leben war, wie wenig Zeit ich auf die wichtigen Dinge verwendet hatte, und wie wenig Zeit jeder von uns wirklich hat.

    Im März ging es Matt so gut, dass wir nach Australien zurückkehrten. Aber nur wenige Wochen später war der Krebs wieder da und wir flogen wieder aus Sydney ab, dieses Mal mit der unausgesprochenen Gewissheit, dass wir uns von unserem Sohn verabschieden würden. Derselbe lange Flug, dieselben Tränen.

    Gemälde eines Mannes, der eine Straße entlang geht

    Vincent van Gogh, Pollard Willow, Gouache, Tinte und Aquarell, 1882. Bild von WikiArt

    Es ist unnatürlich, sein eigenes Kind sterben zu sehen. In dir steckt etwas, das einfach sagt: „Das sollte nicht sein.“ Aber in diesem Raum zu sein, als er uns verließ, und ihn über das, was er sah und spürte reden zu hören – über den Himmel und die Ewigkeit – hat uns für immer verändert. Matt sah Dinge, die wir weder sehen noch vollständig verstehen konnten, aber durch ihn konnten wir für ein paar Stunden einen Blick durch die Pforte werfen, durch die wir alle eines Tages gehen werden.

    Nur wenige Jahre nach Matts Tod wurde bei Linda eine seltene und schwerwiegende Autoimmunerkrankung diagnostiziert. Sie macht sich durch Müdigkeit, Nervenschmerzen und eine Reihe anderer schwächender Symptome bemerkbar. Zur Behandlung werden Steroide und Immunsuppressiva eingesetzt, die aber natürlich ihre eigenen Probleme mit sich bringen. Aufgrund der langfristigen Einnahme von Steroiden musste Linda seit 2015 sechs größere Rückenoperationen über sich ergehen lassen. Manchmal sind die Schmerzen trotz aller Bemühungen der Ärzte einfach nicht in den Griff zu bekommen, und sie kann ihr Bett nicht verlassen. Wenn Linda besonders schwer kämpfen muss und wir beide vollkommen machtlos sind, laufen wir Gefahr, uns unserer Frustration und Entmutigung hinzugeben. Aber gerade wenn es nichts mehr gibt, was man konkret machen könnte, merken wir, dass die Menschen um uns herum für uns besonders wichtig werden, und auch das Gebet.

    Als Pastor der Bruderhofgemeinschaften konnte ich anderen Menschen beistehen, die seelisch oder körperlich Schmerzen haben. Sowohl Linda als auch ich haben die Möglichkeit, das zu tun, was andere für uns getan haben, und wir wissen jetzt aus eigener Erfahrung, dass es oft das Beste ist, einfach bei denen zu sein, die leiden. Das Schlimmste, was man machen kann, ist ein praktische Lösung vorzuschlagen, die bei jemandem anderen funktioniert hat.

    Ich denke oft an die Geschichte von Hiob. Alles wird ihm weggenommen: materieller Besitz, Familie und Gesundheit. Dann kommen seine Freunde vorbei. Sie weinen mit ihm; sie sitzen eine ganze Woche lang schweigend mit ihm auf dem Boden. Aber dann fangen sie an zu reden und vermasseln alles! Der Apostel Paulus hat einen einfachen und guten Rat für uns, wenn er sagt, wir sollen uns mit denen freuen, die sich freuen, und mit denen weinen, die weinen.

    zwei lächelnde Paare

    Linda, Cynthia, Matt, und Randall Gauger, Dezember 1999.

    Linda erinnert mich daran, dass Beileidskarten und gut gemeinte Bibelzitate nicht immer zur rechten Zeit kommen. Aber wenn mir ein guter Freund zur Seite steht, der hin und wieder davon erzählt, was ihm in tiefen Krisen geholfen hat, dann kann das ein Rettungsring sein, an dem ich mich festhalten kann, wenn ich das Gefühl habe, zu ertrinken. Linda erinnert sich:

    Nach Matts Krebsdiagnose schickte mir eine Freundin einen Abschnitt aus Komm zu mir, Geliebter von Frances J. Roberts – ich bewahre ihn immer noch in meiner Bibel auf. Wenn ich über den Verlust meines Sohnes nachdenke, etwas, über das eine Mutter nie „hinwegkommt“, und über den ständigen, zermürbenden körperlichen Schmerz, der mich entmutigen und deprimieren kann, gehen mir diese Worte aus diesem Abschnitt fast täglich durch den Kopf: „Bring deinen Kummer, und warte auf den Sonnenaufgang der Auferstehung. … Die Hoffnung wird wiedergeboren, und das Leben findet einen neuen Anfang. Warte darauf, wie Tulpenzwiebeln auf den Frühling warten. … Gottes Macht, uns vor Verzweiflung, Kummer, Enttäuschung, Reue, Selbstzerfleischung und den heißen, blind machenden Tränen der Rebellion gegen schicksalhafte Umstände zu bewahren, ist gewaltig. Er kann dich vor dir selbst retten, und er liebt dich, wenn du es schwer findest, dich selbst zu lieben. Lasst seinen Frieden in euch fließen wie einen Fluss, der alles Gift quälender Erinnerungen hinwegspült und euch einen frischen, klaren Strom reinen Lebens und erholsamer Gedanken zuträgt.“

    Aber sowohl Linda als auch ich wissen, dass es manchmal keine Worte gibt, sondern nur Tränen. Wenn ich heute an das denke, was ich damals für einen Freund geschrieben habe, der ein Buch über Matts Leben und seinen Tod zusammengestellt hat, sehe ich, wo wir uns damals befanden:

    Ich hatte meine Bedenken über Matts Situation für mich behalten, weil ich befürchtete, dass Linda die Dinge nicht im Griff hat. Die Tatsache, dass ich ihr nicht wirklich erlaubte, ihre Ängste mit mir zu teilen, führte zu großen Spannungen. Für sie wäre es wichtig gewesen, dass ich mit ihr mitfühlte, um mir zu vertrauen und mit mir reden zu können.

    Dann kam dieser Durchbruch, als ich endlich aufhörte, die Mauer zwischen uns aufrecht zu halten und zuließ, verwundbar zu werden. Mir wurde klar, dass unsere Ehe daran zerbrechen könnte, wenn ich mich angesichts von Matts Krankheit in ein Schneckenhaus zurückziehe. Wir wussten beide von Ehen, in denen die Probleme und das Leid, die das Paar eigentlich näher zusammenbringen sollten, das Gegenteil bewirkt hatten. Diese Ehepaare hatten einen Keil zwischen sich getrieben, indem sie ihre Gefühle für sich behielten, sich voneinander distanzierten und darüber spekulierten, was der andere denkt und fühlt.

    Plötzlich konnten wir sehen, dass wir dieselbe Trauer und dieselben Sorgen hatten, und wir konnten offen darüber sprechen. Wir hielten einander in den Armen und weinten, bis wir keine Tränen mehr hatten. Dann konnten wir sagen: „Okay, das ist erstmal genug, jetzt können wir wieder nach vorne schauen.“ An einem Tag konnten wir ein Bild von Matt ansehen und lächeln, am nächsten Tag würden wir dasselbe Bild sehen und in Tränen ausbrechen. Wir hatten nicht das Gefühl, dass wir unsere Emotionen verleugnen oder unterdrücken müssten oder dass wir diese Emotionen nicht haben sollten.

    Es war eine enorme Erleichterung zu erkennen, dass wir nicht stark sind, sondern einfache, gewöhnliche Menschen. Wenn wir weinen müssen, dann weinen wir. Wenn wir trauern müssen, dann trauern wir. Das wollten wir tun, ungehemmt, um danach wieder nach vorne blicken zu können.

    Wenn ich über meine eigenen Erfahrungen mit Leid nachdenke und das Leid anderer betrachte , finde ich meine Trauer und meine Fragen am besten in den Schriften von C. S. Lewis widergespiegelt, der in seiner einsamen Trauer Worte von dieser Erfahrung sprach, die alle Menschen überall und zu allen Zeiten teilen, „einfache Fußsoldaten in der riesigen Armee der Hinterbliebenen, die sich abmühen, um aus einer schlechten Situation das Beste zu machen.“

    Als er zehn Jahre alt war, verlor Lewis seine Mutter durch Krebs. Er hatte zu Gott um Heilung gebetet, und sie war trotzdem gestorben. Er wurde zu einem überzeugten Atheisten. Dann erlebte er die Schützengräben des Ersten Weltkriegs, einschließlich des Todes seines besten Freundes. Er entging selbst nur knapp dem Tod, als eine Bombe einen anderen Soldaten neben ihm tötete. Mit zunehmendem Alter litt er immer mehr unter chronischen Schmerzen, und er war am Boden zerstört, als seine Frau Joy an Krebs starb. Er war inzwischen Christ geworden und rang in seinem Tagebuch mit Gott über ihren Verlust, was 1961 schließlich unter dem Titel A Grief Observed (deutscher Titel: Trost in schwerer Trauer) veröffentlicht wurde.

    Gemälde von Bäumen in der Nähe einer Stadt

    Vincent van Gogh, Blühender Obstgarten mit Pappeln, Öl auf Leinwand, 1889. Bild von WikiArt

    Es belastete Lewis sehr, dass er keine Antwort auf seine Fragen fand: „Geh zu ihm, wenn du verzweifelt bist, wenn alle andere Hilfe versagt hat – was wirst du finden? Eine Tür, die vor dir zugeschlagen wird und das Geräusch vieler Riegel, die von innen vorgeschoben werden. Danach: Schweigen.“ Viele Menschen, die in tiefster Trauer und größtem Leid Zuflucht zum Gebet gesucht haben, werden diese Gottverlassenheit kennen, diese Leere, in der es keine Antwort gibt. Bei Lewis fand ich dieselben Fragen und Ängste, die auch in meinem eigenen Kopf herumschwirrten:

    Sind all diese Notizen nicht die sinnlosen Gedanken eines Menschen, der nicht akzeptieren will, dass es nichts gibt, was wir tun können, außer unser Leid zu ertragen? … Es ist egal, ob du dich an den Armlehnen des Zahnarztstuhls festhältst oder deine Hände im Schoß liegen lässt. Der Bohrer bohrt weiter. … Ich glaube nicht, dass ich in großer Gefahr bin, meinen Glauben an Gott zu verlieren. Die wirkliche Gefahr besteht darin, dass man anfängt, alle möglichen schreckliche Dinge über ihn zu glauben. Ich fürchte mich nicht davor, am Ende zu sagen: „Also gibt es doch keinen Gott“, sondern: „So also ist Gott wirklich. Mach dir nicht länger etwas vor.“

    Das Schrecklichste wäre also nicht, festzustellen, dass es keinen Gott gibt, sondern dass er existiert, und, in Lewis‘ Worten, ein „kosmischer Sadist“ ist. Was könnte so viel sinnloses Leid schon Gutes bewirken? Und wenn solche Worte von dem Mann kommen, dessen Bücher meine eigene geistliche Entwicklung und meinen Glauben an Gottes Güte so stark geprägt haben, woran sollte ich mich dann noch festhalten? Als jemand, der selbst gelitten und das Leiden geliebter Menschen gesehen hat, als Pastor, der mit den Trauernden getrauert hat, sind Antworten auf diese Fragen erschreckend schwer zu finden – zumindest Antworten, die über die religiösen Plattitüden hinausgehen, die den Ängstlichen und den Trauernden Frieden und Trost verschaffen sollen.

    Den ersten Schimmer einer Antwort findet Lewis hier:

    Aber nehmen wir an, Sie haben es mit einem Chirurgen zu tun, dessen Absichten vollkommen gut sind. Je liebevoller und gewissenhafter er ist, desto unaufhaltsamer wird er weiter schneiden. Wenn er sich Ihren Bitten gebeugt und aufgehört hätte, bevor die Operation abgeschlossen war, wäre all der Schmerz bis zu diesem Zeitpunkt nutzlos gewesen.

    Er hämmert nicht mehr an eine Tür, die zugeschlagen wurde:

    Wenn ich diese Fragen vor Gott stelle, bekomme ich keine Antwort. Aber eher eine besondere Art von „Keine Antwort“. Es ist nicht die verschlossene Tür. Es ist eher ein schweigsamer, aber keineswegs mitleidsloser Blick. Es ist, als ob er den Kopf schüttelt. Die Frage wird nicht verneint, sondern abgetan, weil sie nicht beantwortet werden kann. Als würde er sagen: „Still, Kind, du verstehst es nicht.“

    Letztendlich glaubte Lewis, dass der Himmel die Antwort auf das Problem des Leidens sei. Er hielt sich an Textstellen wie 2. Korinther 4: „Darum werden wir nicht müde; sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert. Denn unsre Bedrängnis, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit, uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.“

    Das sind Worte, denen wir begegnen müssen, wenn es für uns an der Zeit ist. Sie können uns nicht von einem wohlmeinenden Psychotherapeuten beigebracht oder auf einer Beileidskarte übermittelt werden, die uns erreicht, während wir um den nächsten Atemzug kämpfen, damit wir noch eine weitere Stunde überstehen. Und doch wurden sie von jemandem geschrieben, der selbst litt und durch sein Leiden anderen Menschen Hoffnung vermittelte. Ich glaube mit Lewis und dem Apostel Paulus, dass, wenn wir unseren Blick auf den richten, der für uns unsichtbar ist, sein Blick auch auf uns gerichtet ist, beständig, unerschütterlich und liebevoll. Wir können seine Hände nur spüren, wenn er sie, wie er es mit Matt tat, ausstreckt, um uns in sein ewiges Licht zu bringen. Bis dahin vertrauen wir darauf, dass sein Blick uns hält.

    Von RandallGauger Randall Gauger

    Randall Gauger ist Pastor in den Bruderhofgemeinschaften in den Vereinigten Staaten. Er und seine Frau Linda leben in der Foxhill-Gemeinschaft in New York.

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