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    mineral pigments and gold on kumohada paper

    Kunst, Kultur, Reparatur

    Die Aufgabe der Künste ist es, Zukunft im besten Sinne zu gestalten.

    von Makoto Fujimura

    Donnerstag, 28. März 2024

    Verfügbare Sprachen: español, English

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    Plough-Mitarbeiterin Susannah Black Roberts spricht mit dem Künstler Makoto Fujimura über „Kulturpflege“ als Gegenmittel zu Kulturkriegen.

    Plough: In Ihren Schriften konzentrieren Sie sich auf die Idee der Generativität, also die Fähigkeit , sich der vorherigen und nächsten Generation anzunehmen. Wie ist die Beziehung zwischen Generativität und Reparatur? Können Sie uns erzählen wie Sie zwischen „Reparieren“ und „Schaffen“ unterscheiden, sowohl in der Theologie als auch in der Kunst?

    Makoto Fujimura: Reparatur kann nur generativ sein, wenn wir lernen, die zerbrochenen Teile als etwas Schönes zu betrachten. In der westlichen Denkweise muss das, was zerbrochen und unvollkommen ist, „repariert“ werden, damit es ohne Fehler ist, oder es wird weggeworfen.In meinem kürzlich erschienenen Buch Art and Faith (Kunst und Glaube) fokussiere ich mich auf die Erscheinung Jesu nach seiner Auferstehung. Er kam nicht nur als verherrlichter Mensch zurück, der unsere Sorgen und Übertretungen ans Kreuz getragen hat, sondern er kam als verwundeter, verherrlichter Mensch zurück! Das widerspricht der westlichen Vorstellung von „Heilung.“ Die verherrlichten Wunden Christi nach der Auferstehung können die Theologie öffnen und eine neue Perspektive auf Kunst und Kultur ermöglichen.

    Ihr Vater arbeitete im Bereich der Linguistik und Informatik. Sie scheinen künstlicher Intelligenz weniger feindlich gegenüberzustehen als viele Künstler. Ihr Respekt für die Einzigartigkeit der menschlichen Kreativität müsste Sie in Konflikt mit der visuellen KI bringen, die angeblich Kunst schaffen kann. Wie beurteilen Sie diese neuen Technologien aus philosophischer, theologischer und praktischer Sicht?

    Ich bin in der berühmten Bell-Labs-Gemeinschaft in New Jersey aufgewachsen, daher habe ich vielleicht einen anderen Blickwinkel auf Technologie als viele Künstler. Ich sehe zurzeit eine enorme Entwicklung in der Fähigkeit der Supercomputer, Muster zu erkennen. Aber Maschinen sind (noch) nicht „intelligent“, also ist künstliche Intelligenz keine zutreffende Beschreibung. Ich sehe das ChatGPT-Phänomen nur als eine Erweiterung der Fähigkeiten, die es Maschinen ermöglicht, Milliarden von Daten zu sammeln und zusammenzustellen, ohne über Urteilsvermögen oder ästhetische Fähigkeiten zu verfügen. Wir können diese Fähigkeit der Unterscheidung einbringen, aber damit benutzen wir die Maschinen als Werkzeuge, so wie ich einen Pinsel als Werkzeug benutzen kann. Uns ist die enorme Macht gegeben worden, entweder eine generative Fülle von shalom zu schaffen oder die Welt mehrfach zu zerstören. Menschliche Kreativität und Technologie sind natürlich gefährlich – in Hiroshima oder Nagasaki wird das Ausmaß solch zerstörerischer Kräfte erfahrbar. Aber uns ist auch die Fähigkeit gegeben, diese Kräfte zu unterscheiden, zu korrigieren und zu lenken. Die Kunst dient dazu, die Vorstellungskraft zu schulen, um die Zukunft zu suchen, nicht nur auf dieser Seite der Ewigkeit, sondern auf geheimnisvolle Weise auch auf der anderen. Die neue Schöpfung geschieht nicht vollständig ohne unser Schaffen (so wie die Eucharistie nicht ohne Brot und Wein möglich ist). Deshalb sind Künstler und Christen Futuristen; unsere Aufgabe ist es, die Zukunft zu schaffen, die sein sollte. Die Frage ist also: Was schaffen wir? Was können wir heute erschaffen, das unsere Vorstellungskraft heiligt, anstatt unsere Vorstellungskraft für das Streben nach Macht und Zerstörung einzusetzen? Ich habe auf der Asche von Ground Zero in New York gestanden und über Hiroshima und Nagasaki nachgedacht. Meine Kunst war eine Möglichkeit, die Unmöglichkeit dieses Nachdenkens zu erforschen.

    Manche Menschen behaupten, dass wir in einer Gesellschaft leben, die dem Christentum gegenüber feindseliger eingestellt ist als in der Vergangenheit. Wie reagieren Sie als Künstler und Gläubiger auf die Feindseligkeit in der Kultur? Ist es zu spät für „Kulturpflege”?

    In den neunziger Jahren wurde jede Idee von Transzendenz, selbst das Sprechen über die Grundlagen der Wahrheit und des Guten, als fragwürdig, wenn nicht gar als Bedrohung für die etablierte Vorstellung des Relativismus angesehen. In der Kunstwelt war „Schönheit“ ein Tabu. Gab man sich, wie ich, als Christ zu erkennen und schuf Schönheit, wurde man sofort als Außenseiter“ gebrandmarkt, der eine Bedrohung für den Mainstream darstellte. Kulturpflege ist ein gewaltfreies Gegenmittel zur Kulturkampf-Mentalität der Angst und des Mangels. Kulturpflege ist immer bestrebt, Samen zu sähen (wie Jeremia 29 uns sagt), auch in der Asche von Ground Zero, damit künftige Generationen die Stadt gedeihen sehen, die einst mit dem Evangelium verfeindet war. Kulturpflege zu leben bedeutet, generativ zu leben und die „Frucht des Geistes“ aus Galater 5 hervorzubringen. Das war schon immer der Auftrag an die Nachfolger Christi, sogar in feindlichen Ländern.

    mineral pigments and gold on kumohada paper

    Columbines – Study, mineralische Pigmente und Gold auf Kumohada-Papier. Copyright © 2010 Makoto Fujimura. Abgedruckt mit Genehmigung.

    In diesem Zusammenhang wird oft behauptet, wir befänden uns in einem Kulturkrieg – ein Begriff, der von James Davison Hunter geprägt wurde und heute von vielen selbsternannten Kulturkämpfern verwendet wird. Sie stellen dem Kulturkrieg „Kulturpflege“ gegenüber. Gibt es einen Weg, wie Kulturpflege auf die zunehmende Polarisierung in unserer Zeit reagieren kann? Wie kann die Kulturpflege das gemeinsame Leben fördern, das für das politische Gemeinwohl entscheidend ist? Kann sie aus der Zersplitterung etwas Schönes entstehen lassen, wie eine Kintsugi-geflickte Teeschale?

    Als James Hunter den Begriff prägte, befürwortete er nicht die Kulturkriege, sondern stellte fest, dass ein so spaltender Diskurs dem demokratischen Diskurs erheblich schaden würde. Sein Buch Culture Wars war in der Tat vorausschauend und wir ernten die giftigen Früchte dieser Kriege noch viele Jahre später. Stellen Sie sich die Verzweiflung der Menschen vor, die im Palästina des ersten Jahrhunderts lebten, in den Regionen, in denen Jesus aufwuchs. Hatten sie Angst? Wurden sie bedroht? Ja! Es gab keine Garantie auf eine Zukunft, keine nennenswerte Stabilität für Josef und Maria. Doch Jesus lehrte uns, unsere Feinde zu lieben. Kunst zu machen bedeutet im Grunde, „die Vögel des Himmels zu betrachten“ und „die Lilien zu betrachten“ – und das ist ein Gebot unseres Erlösers aus Matthäus 6 – statt sich darum zu sorgen, was man trägt, isst oder trinkt.… Kunst kann ein Weg sein, „unsere Feinde zu lieben“, wohl der „grenzüberschreitendste“ Akt in der Kultur. Christen sind immer dazu berufen, in gespaltenen Ländern und in Konflikten mit Mut zu lieben. Kintsugi (das aus der japanischen Feudalkriegszeit des 16. Jahrhunderts stammt) ist eine schöne Metapher, die zur Zeit häufig in der Popkultur verwendet wird, von Ted Lasso bis Star Wars. Im Kintsugi sollen wir „flicken, um neu zu machen“, anstatt zu „reparieren“, um die Brüche schöner zu machen, indem wir sie zuerst betrachten und dann japanischen Lack und Gold verwenden, um die Schönheit der Brüche zu betonen, anstatt sie zu verbergen. Als der zerbrochene Leib Christi muss die Kirche der zerbrochenen, leidenden Welt ein Beispiel für eine solche Reparatur geben. Wir müssen die Menschen und ihre Unterschiede wertschätzen, denn jeder hat einen einzigartigen Weg der Gebrochenheit hinter sich. Wir müssen uns daran erinnern, dass wir als Christen ein Mosaik aus zerbrochenen Teilen sind, die in Christus zusammenkommen. Kunst, die der Kintsugi-Generation gewidmet ist, kann als Brücke dienen, um skeptische Menschen in eine authentische Gemeinschaft der Gebrochenheit einzuladen, die nur durch unseren Kintsugi-Retter schön wird.

    Angesichts dessen, was viele als Hässlichkeit und Entwurzelung in unserer heutigen Kultur empfinden, sehnen sich die Menschen oft nach Schönheit. Wie kann die Kunst dazu beitragen, diese Sehnsucht nach Schönheit und Verwurzelung zu stillen?

    Yobi-tsugi, eine Erweiterung des Kintsugi, bei dem bewusst Fragmente aus verschiedenen Quellen zu einem Mosaik zusammengefügt werden, ist eine kraftvolle Metapher für unsere Zukunft. Wir brauchen eine Neuausrichtung unseres Verständnisses von Schönheit, weg von einem westlichen, industriellen, kosmetischen, makellosen Perfektionskonzept hin zu einer befleckten, gebrochenen Schönheit des Ostens. Kunst kann eine somatische, reflektierende, tiefere Kontemplation bewirken, die uns davon abbringt, anderen die Schuld zu geben, und uns zur Frage führt: „Was in mir muss geflickt, muss erneuert werden?“ Wenn wir tief in unsere eigene Seele und auf die Ränder unserer Brüche blicken, werden wir feststellen, dass wir einander und Gemeinschaften (und sogar unsere Feinde) brauchen, um vollständige Heilung zu finden.


    Das Interview vom 10. September 2023 wurde aus dem Englischen übersetzt und gekürzt.

    Von MakotoFujimura Makoto Fujimura

    Makoto Fujimura ist Künstler, Schriftsteller und Redner.

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