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    Morning over the bay

    Ein hebräisches Gebet

    von Channah Ben-Eliezer

    Montag, 18. März 2024
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    • Conrad Cramer

      SIGH! Und ich habe Probleme dem Lastwagenfahrer zu vergeben, der mich vor ein paar Jahren abgedrängt hat. Dabei ist gar nichts weiter passiert - außer das eine Polizeistreife, die das Geschehen nur zu einem kleinen Teil mitbekommen hatte, mich angehalten hat. Oder der Frau, die mich als Kind geohrfeigt hatte, weil ich mit dem Fahrrad vorbei wollte und so "frech" war sie mit meiner Klingel zu "erschrecken". Oder ... Ob es schwerer ist, zu vergeben, wenn man nie wirklich schlimmes Unrecht erfahren mußte?

    Mein Vater, ein Holocaust-Überlebender, schickte mir kürzlich ein Gebet, das er ausschnittweise übersetzt hattte, und das gläubige Juden in der ganzen Welt jeden Abend beten.

    Ich vergebe hiermit allen, die mich verärgert oder verhöhnt haben,
    all denen, die sich unter Zwang, wissentlich, boshaft
    oder unwissentlich, gegen meine Person, meinen Besitz oder meine Ehre
    mit Worten oder Taten versündigt haben.
    Keiner soll meinetwegen Strafe erleiden.

    Erstaunlich! Ich las es nochmal: „Ich vergebe hiermit allen...“. Ja, es heißt „allen“ – ohne Ausnahme. Man stelle sich vor, dass viele Juden in der ganzen Welt Abend für Abend so beten. Ist es möglich, dass sie sogar vor fünfundsechzig Jahren in den Konzerntrationslagern so gebetet haben? ´

    Ich weiss, dass der frühchristliche Märtyrer Stephanus für seine Mörder gebetet hat, bevor er gesteinigt wurde, ebenso wie andere Märtyrer verschiedener Religionen im Laufe der Geschichte. Das ist vielleicht ein Gebet für Heilige, dachte ich mir, aber was heißt das für mich und uns alle heute? Wie passt eine solche Haltung In unser menschliches Gerechtigkeitsempfinden, wonach Fehler erst bereinigt werden müssen, bevor wir weitermachen können? Ich erwarte oft, daß der Schuldige mindestens zuerst kommen und um Vergebung bitten sollte. Eine Bemerkung von Rabbi Danziger aus der chassidischen Chabad Bewegung unterstützte mich in dieser Haltung: Dem Buchstaben des Gesetzes wörtlich folgend heisst es: „Wenn jemand dir Unrecht getan hat und um Vergebung bittet, musst du ihm vergeben – vorausgesetzt dass er dich für jeden angerichteten Schaden entschädigt hat.“ Wenn wir jedoch über dieses Gesetz hinausgehen wollen, dann sollen wir selbst dann anderen vergeben, wenn sie nicht darum bitten oder vielleicht unsere Vergebung gar nicht wollen.

    Dieses Abendgebet geht also von einem Ort jenseits des Buchstabens des Gesetzes aus, und gläubige Juden sind dazu bereit, sich jeden Abend zu diesem Ort „jenseits“ zu begeben. Was würde passieren, wenn Christen das gleiche täten? Ich glaube, dass dies der Ort ist an dem die Heilung für unsere zerrissene Welt zu finden wäre. Aber wie können wir dorthin gelangen?

    Eine weitere bemerkenswerte Aussage eines anderen Rabbies half mir, noch mehr zu verstehen: „Wenn auch nur ein einziger Mensch echte teshuva, also Buße oder Umkehr, tut, dann genügt das, um der ganzen Welt zu vergeben.“

    Bedeutet das wirklich, daß wir nicht mehr zu tun haben, als uns von unseren Fehlern und Sünden abzuwenden, damit die ganze Welt neu werden kann? Aber wie soll das etwas ändern? Wir wissen doch, wie viele Menschen in unserer Gesellschaft mit ihrer Zerbrochenheit und Verletztheit verzweifelt nach Heilung suchen.

    Wenn mein Vater über Vergebung spricht, dann sagt er immer: „Wenn ich mir klar darüber bin, wieviel Vergebung ich selbst nötig habe, dann ist es leicht, anderen für das zu vergeben, womit sie mich verletzt haben. Und wenn ein Mensch einem anderen vergeben kann, dann fängt damit ein Kreislauf der Versöhnung an, der sich ausbreiten wird.“ Vielleicht ist das ein Teil der Bedeutung des Zitats über teshuva?

    Am Ende bleibt natürlich die Frage bestehen: Werde ich dieses Gebet um Vergebung nicht nur im Frieden der Nacht beten, sondern auch im grellen Licht des nächsten Tages daran festhalten?

    Hands releasing a dove
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