Ich glaube, jeder von uns kennt das Gefühl. Manchmal ist das Leben einfach nicht gerecht. Beim Fußball auf dem Bolzplatz wählen wir Mannschaften. Und ich: Komme natürlich als Letzter dran. Peinlich ist das. Wir essen Mittag – und wer muss schon wieder beim Geschirrspülen helfen, obwohl ich gestern erst abgetrocknet habe? Oder warum kriegt meine Mitschülerin das größte Lob, obwohl ihr Bruder ihre PowerPoint-Präsentation gebastelt hat (und das sieht ein Blinder mit dem Krückstock, nur unser Lehrer mal wieder nicht), während ich mich das ganze Wochenende abgemüht habe, um Material zu suchen?

Ist es fair, dass unsere Nachbarn jedes Jahr an einen anderen Strand in den Urlaub fliegen, und wir immer bei Oma auf dem Bauernhof sind und auch noch ausmisten helfen müssen, weil wir uns eine weite Reise nicht leisten können? Ist es fair, dass ich immer die alten Sachen von meiner Cousine auftragen muss, während meine Freundinnen Marken Klamotten tragen?

Es geht manchmal ganz schön ungerecht zu. Das kennen wir alle. 

Aber, wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen: Ich ärgere mich manchmal darüber, dass ich nicht fair behandelt werde, aber meistens geht es mir eigentlich gut. Ich darf ja mitspielen. Ich bekomme zu essen. Wir sind im Urlaub. Und ich habe etwas anzuziehen.

Andere haben das nicht. Vielen Kindern geht es nicht so gut, wie mir. 

Ist es gerecht, dass Eyven seine Eltern und seine Füße verloren und nicht mehr in seinem Haus wohnen kann, weil es durch ein Erdbeben zerstört wurde? Ist es fair, dass Malala nicht in die Schule gehen durfte, weil sie ein Mädchen ist, und Ruby nicht, weil sie schwarz ist? Ist es gerecht, dass Mary kein sauberes Wasser zum Trinken hatte, und sie und ihre Nachbarn krank davon wurden? Ist es gerecht, dass die Menschen in Deutschland nur ein kleiner Teil der Weltbevölkerung sind, aber das meiste Geld besitzen?

Nein, das ist nicht gerecht. 

Aber, und das ist das Wichtigste an diesem Buch. Sie alle, die ich gerade aufgezählt habe, haben sich das nicht gefallen lassen. Sie haben laut gerufen: „Das ist ungerecht!“ Und dann haben sie überlegt, was sie dafür tun können, dass es gerechter zugeht auf dieser Welt. 

Gerechtigkeit ist für mich ein großes Thema. 

Eine Zeitlang habe ich mit Menschen gearbeitet, die keine Wohnung hatten. Sie mussten draußen Schlafen. Auch im Winter, wenn es bitterkalt war. Sie bekamen bei uns eine Suppe mit Brot und eine warme Dusche, und dann spielten wir zusammen „Mensch ärgere dich nicht“ (und ich habe mich immer geärgert, wenn ich rausgeworfen wurde). 

Später habe ich mitgeholfen, dass Familien, die aus ihrem Land geflohen sind, weil dort Krieg herrscht, in Deutschland willkommen geheißen werden. Ich war Pastor und in unserem Gemeindehaus haben wir ein „Café Global“ eröffnet mit leckeren Köstlichkeiten aus aller Welt, mit Süßigkeiten aus Syrien und gefüllten Paprika aus Afghanistan. Wir hatten Abende, an denen jeder und jede Geflüchtete seine Geschichte erzählen konnte. Zweimal in der Woche gab es Deutschunterricht. Oft waren es die Kinder, die ihren Eltern die schwere neue Sprache erklärten.

Heute arbeite ich in der Entwicklungszusammenarbeit (was das genau ist, erkläre ich in meinem Buch). Wir helfen mit, dass reiche und arme Länder zusammenarbeiten, damit die Armen keinen Hunger leiden müssen, damit ihre Kinder zur Schule gehen können, und damit sie eine gute Arbeit finden und gerechte Löhne bekommen.

Das Buch Ist das fair? ist zu beziehen bei: Neufeld Verlag, 86 Seiten. Mit Illustrationen von Volker Konrad. ISBN 978-3-86256-193-3, Preis € 15.

Deshalb habe ich ein Buch geschrieben. Weil ich dankbar bin, dass es mir selbst sehr gut geht. Ich habe einen Beruf und eine Familie und einen Hund und ein Haus und ein Auto und Hosen und Jacken und ein Bett – und noch viel mehr. Deswegen möchte ich, dass es anderen auch gut geht. Leider ist es nicht so. Und das ist unfair! 

In meinem Buch Ist das fair? erkläre ich am Anfang, was das eigentlich ist, Gerechtigkeit. Viele kluge Menschen haben darüber nachgedacht. Und dann erzähle ich die Geschichten von Eyven und Malala, von Ruby und Mary Und stelle Ellie und Anne und ihren „Youth for Justice“- Kurs vor, bei dem Jugendliche lernen, wie sie sich aktiv für eine gerechtere Welt einsetzen können. 

Sie alle können Mut machen, dass nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder und Jugendliche etwas bewegen können. Denn es stimmt, vieles ist unfair. Aber man kann etwas dafür tun, dass es gerechter zugeht.