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    Grapes and grape leaves

    Leben in Gemeinschaft, heißt leben im Geist

    von Eberhard Arnold

    Mittwoch, 9. April 2014

    Verfügbare Sprachen: English

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    Wir bekennen uns zu Jesus und dem Urchristentum, weil man sich dort dem äußeren Menschen ebenso wie der inneren Not gewidmet hat, weil man dort niemals Körper und Erde missachtet und sich doch um Seele und Geist gekümmert hat. Auf die Frage nach der zukünftigen Gerechtigkeit verwies Jesus als Antwort auf sein Tun: kranke Körper wurden geheilt, Menschen aus dem Grab wurden lebendig gemacht, teuflische Mächte wurden aus gequälten Leibern vertrieben und den ärmsten Menschen wurde die Nachricht der Freude gebracht. Diese Nachricht bedeutet, dass das unsichtbare Reich der Zukunft nahe ist und dass es jetzt schon verwirklicht wird, dass Gott Mensch wird, dass Gott Fleisch wird, und dass schließlich und endlich die Erde ganz für Gott gewonnen wird.

    Es geht ums Ganze. Die Liebe Gottes kennt keine Grenze und weicht vor keiner Schranke.

    Es geht ums Ganze. Die Liebe Gottes kennt keine Grenze und weicht vor keiner Schranke. Deshalb macht Jesus weder vor Theologie noch vor Moral, weder vor Staat noch vor Eigentum halt. Dem reichen jungen Mann, den er gern hatte, sah er ins Herz: „Es fehlt dir nur das Eine: Verkaufe alles, was du hast, gib es den Armen und komm‘ mit mir!“ (Lukas 18:22) So war es selbstverständlich für Jesus, dass in seiner Wanderschar die persönliche Besitzlosigkeit in Form einer gemeinsamen Kasse durchgeführt wurde. Und es war nicht zufällig, dass der, dem die schwerste Verantwortung – in der engsten Verbindung mit dem Geldgeist der heutigen Menschheit – anvertraut worden war, an seiner Verantwortung zerbrach.

    Aber der Verrat und die Hinrichtung konnten keine endgültige Niederlage bedeuten. Das enthusiastische Geisteserlebnis, das der Auferstandene seiner Gemeinde geschenkt hatte, gab die Kraft, das Gemeinschaftsleben der Wanderschar in größere Maßstäbe zu übertragen. Die erste Gemeinde wurde Lebensgemeinschaft einiger tausend Menschen, die beieinander sein mussten, weil die Liebe sie durchglühte. In allen Fragen des Zusammenlebens mussten sich Gestaltungsformen ergeben, wie sie einer vollendeten Lebenseinheit entsprechen.

    Die ersten Christen besaßen nichts persönlich. Sie hatten alles gemeinsam. Wer über Besitztümer verfügte, war von dem Drang erfüllt, sie weiterzugeben. Keiner verfügte über etwas, was nicht uneingeschränkt der Gemeinschaft gehörte. Was aber die Gemeinde besaß, war dennoch für alle Menschen da. Da diese schenkende Liebe niemals exklusiv ist, war auch damals die offene Tür und das offene Herz der wesentliche Charakterzug dieses Kreises vom Geist ergriffener Menschen. Deshalb hatten sie in ihrer stärksten Zeit Zugang zu allen Menschen. Sie gewannen die Liebe und das Vertrauen ihrer Mitmenschen, sie, die doch durch ihren Lebenskampf tödlichen Hass und erbitterte Feindschaft auf sich ziehen mussten. Ihr Einfluss musste so stark sein, weil sie ganz Herz und ganz Seele für alle waren. Nur so konnten die Vielen ein Herz und eine Seele sein.

    Privatbesitz, Einzelvermögen und Vorrechte können ausschließlich durch diese Kraft des verbindenden Geistes überwunden werden. Die Hindernisse, die der Liebe im Weg stehen, können nur durch den Geistesaufbau des Gemeindekreises beseitigt werden. Hier geht es um Innerstes, um Lebendiges. Geist ist wehender Geist. Er ist niemals starres Gerüst wie Eisen oder Stein. Er ist unendlich empfindsamer und zarter als die spröden Gedankengebäude des Verstandes oder das harte, kalte Gefüge eines staatlich oder vereinsmäßig, rechtmäßig organisierten Gesellschaftsaufbaus. Er ist feiner und zarter als alle Empfindungen der Seele, als all die Kräfte des menschlichen Herzens, auf die man schon so oft vergeblich versucht hat, Dauerndes aufzubauen. Eben deshalb ist er stärker und unwiderstehlicher als all das und kann durch keine noch so große Gewalt jemals überwältigt werden.

    Hier geht es um Innerstes, um Lebendiges. Geist ist wehender Geist.

    Wo der Geist stark und rein alle anderen Mächte überwindet, wie bei Jesus selbst, da kann ein solches Leben als Geistesleben bis zu Ende behauptet werden. Natürlich muss es an seinem Ende, dem, was man als Ende sieht, umgebracht werden, genau wie Jesus am Ende umgebracht wurde. Aber noch im Untergang behauptet sich sein Leben als Liebe, als Liebe ohne Gewalt, als Liebe ohne Recht und ohne Besitzwillen. Deshalb lebt Jesus jetzt umso stärker: als Auferstandener und als Geist, als innere Stimme und als inneres Auge.

    Auch die Urgemeinde hat den Weg der Menschheit nur kurz, wie ein einmaliges Aufleuchten, erhellt. Aber als sie zerstreut und viele ihrer Mitglieder ermordet worden waren, blieben doch ihr Geist und ihr Lebenszeugnis für immer lebendig. In der Geschichte ist es als ein Geschenk Gottes immer wieder zu ähnlichen Manifestationen desselben lebendigen Geistes gekommen. Die Zeugen werden umgebracht – die Eltern sterben; aber dem Geist werden immer neue Kinder geboren.

    So etwas künstlich oder durch eigene Anstrengung hervorzubringen oder gestalten zu wollen, kann nur zu einer hässlichen, leblosen Karikatur führen. Dem Lebendigen gegenüber kann es nur eine Haltung geben: das Offen-werden für den Geist, dass er im Offenen, Leeren dasselbe Leben bewirken kann wie in den ersten Christen. Dieser Geist ist die Freude am Lebendigen, die Freude an Gott als an dem alleinigen, wirklichen Leben, und durch ihn die Freude an den Menschen, an allen Menschen, die von Gott das Leben haben. Dieser Geist treibt als Drang zu den Menschen, zu allen Menschen. Durch ihn wird es Freude, füreinander zu leben und füreinander zu arbeiten. Er ist liebender und schöpferischer Geist.

    So etwas künstlich oder durch eigene Anstrengung hervorzubringen oder gestalten zu wollen, kann nur zu einer hässlichen, leblosen Karikatur führen.

    Gemeinschaft des Lebens kann nur in diesem alles umfassenden Geist bestehen: in seiner vertieften Geistigkeit, in seiner verstärkten Intensität der Lebensfähigkeit, in seiner Erregung unerhörter Spannungen, in seiner Hingabe an das gewaltigste Erleben, dem man sich niemals von sich aus gewachsen fühlen kann. In Wahrheit ist sich der Geist nur selbst gewachsen. Die Belebung der Kräfte, die er bewirkt, geschieht dadurch, dass der innerste Kern, der Geist der Gemeinschaft, bis zur Weißglut erhitzt wird. In diesem Kern, im Geist selbst, muss es lodern und brennen bis zur Opferung des eigenen Lebens, so dass Wärme und Licht bis in die Weiten des Alls strahlen.

    Das Wesen des Gemeinschaftslebens ist die tägliche Opferung aller Kräfte und aller Rechte, all der sonst so selbstverständlichen und berechtigten Forderungen, die man normalerweise an das Leben stellt. Im Symbol des Feuers verbrennen die einzelnen Holzscheite, dass durch die Gemeinsamkeit der Flamme die Glut immer neu entfacht und das Licht immer neu ins Land gesandt wird.

    Wir müssen in Gemeinschaft leben, weil der Geist der Freude und Liebe uns dazu treibt mit den anderen für alle Zeiten vereinigt zu sein.

    drawing of hands reaching up to flying doves
    Von EberhardArnold2 Eberhard Arnold

    Eberhard Arnold war ein Theologe, Erzieher, Verleger und Leiter der Bruderhofgemeinschaft.

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