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    Old olive tree

    Das beste Jahr meines Lebens

    von Michael Putney

    Montag, 10. Februar 2014

    Verfügbare Sprachen: English

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    Dem katholischen Bischof Michael Putney aus Townsville in Australien wurde Anfang des letzten Jahres eine Krebsdiagnose gestellt. Randall Gauger traf ihn ein Jahr später in Brisbane. Obwohl die Chemotherapie offensichtlich ihre Spuren hinterlassen hatte, war er innerlich und geistig unermüdlich rege. Hier einige Höhepunkte aus dem Gespräch:

    Meine Zukunft

    Mein Krebs breitet sich aus und es gibt keine weitere medizinische Behandlung für mich. Das ist vorbei und von einem medizinischen Standpunkt aus gesehen wird sich der Krebs wahrscheinlich ausbreiten und zu meinem Tod führen. Zur gleichen Zeit habe ich aber auch durch die Chemotherapie noch etwas Zeit gewonnen, mit einer gewissen Lebensqualität und der Möglichkeit aktiv zu sein und das zur Überraschung des Arztes, der mir weniger Zeit als ein Jahr gegeben hatte. Das vom Arzt prognostizierte Jahr war tatsächlich letzte Woche um, als er sagte „Sie sehen sehr gut aus.“ Da bin ich nun im Moment. Ein Tag auf einmal. Ich bin ganz einfach in Gottes Hand und das macht mir keine Sorgen.

    Schmerzen

    In der katholischen Tradition werden Schmerzen, die man erleiden muss als Gebet dargebracht – in dem man die Schmerzen annimmt, sich darunter beugt und sagt: ” Das ist mein Gebet.” Ich tu das für meine Diözese und für meine Familie.  Papst Franziskus schrieb mir, ich solle sie der Einheit unter Christen opfern, und das tue ich ebenfalls. Deswegen, wenn das Ende schwer sein wird, dann wird es was mich betrifft, ein tieferes Gebet sein. Gott wird dies achten. Wer weiß was dann geschieht? Das ist meine kleine Hoffnung.

    Im Angesicht des Todes

    Angesichts des Todes habe ich zwei Dinge erlebt. Das eine ist, dass mein ganzes Leben an mir vorüberzog, hauptsächlich durch Briefe und Gespräche mit Menschen aus verschiedenen Zeiten und Orten meines Lebens. Sie schrieben mir, um mich an Dinge zu erinnern, die wir gemeinsam getan haben und oft haben sie mich an das Gute erinnert, das ich getan habe und das sie gesehen haben.

    Das andere sind dann natürlich unsere zwischenmenschlichen Beziehungen mit all ihrem Auf und Ab, die einem wieder einfallen. Und man denkt an alle Sünden und Versäumnisse. Es ist ganz egal wie bereitwillig wir unsere Sünden bekennen und unsere Schuld anerkennen, da ist doch noch immer etwas in uns, das unsere eigene Sünde und Schuld abschwächt. Es ist in einer Weise, als ob wir uns einfach ein bisschen mehr durchgehen lassen. Im Angesicht des Todes klappt das nicht mehr; dann hängt das mit seiner ganzen Realität über uns. Dann denkt man „Ach, du liebe Zeit, ich war eigentlich nicht so unschuldig wie ich es mir immer vorgemacht habe!“ Aber dann muss man wieder zu Gott aufschauen. In Ihm gibt es nur Vergebung. Ich habe nichts anderes an dem ich mich festhalten kann als nur Gottes Vergebung.

    Es gibt noch Arbeit

    Als ich hörte, dass ich Krebs habe, habe ich ganz einfach reagiert mit “Oh, das ist o.k.” Es war so einfach. Und dann dachte ich an die Worte des Apostel Paulus im Brief an die Philipper, wo er sagt:  „Denn Leben, das ist für mich Christus; darum bringt Sterben für mich nur Gewinn.“ Das war mein erster Gedanke; darauf hatte ich gehofft.

    Und dann bin ich nicht gestorben. Ich hatte nicht an den nächsten Schritt gedacht, bis ich den Rest las, von dem, was Paulus zu sagen hat: „Aber wenn ich am Leben bleibe, kann ich noch weiter für Christus wirken.“ Ich habe also noch einiges zu tun, deswegen gehe ich besser an die Arbeit! Ich bin nicht so arrogant, als dass ich denken würde, dass Gott mich braucht um A,B oder C zu tun. Aber es ist für mich ein enormes Privileg, ein großes Geschenk, dass er mir erlaubt noch Einiges für ihn zu tun. Vielleicht gab es letztes Jahr etwas, das ich tun sollte. Es sah tatsächlich so aus, als ob ich mehr als ein Jahr Arbeit vor mir habe! Vielleicht sogar für noch ein weiteres Jahr. Aber vielleicht habe ich auch nur einen Monat Zeit. Ich weiß es nicht. Und ich mach mir auch nichts draus, ich denke gar nicht weiter darüber nach.

    Das fruchtbarste Jahr meines Lebens

    Ich muss sagen, dass das letzte Jahr das fruchtbarste meines Lebens war und gleichzeitig auch das fröhlichste Jahr meines Lebens.  Es war ein erstaunliches, aufregendes Jahr. Ich freue mich auf das neue Jahr, das vor mir liegt, egal wie kurz oder lang es sein wird und egal was es bringt. Das heisst ja nicht, dass es nicht irgendwo in mir auch eine gewisse Angst gibt. Was wenn es wirklich schwer wird? Aber bis jetzt habe ich mir keine Sorgen darüber gemacht.

    Es gab keine Dunkelheit, keine Verzweiflung, keine Depression

    Ich bekam das große Geschenk einer Freiheit von all dem und auch über meinen Krebs in dem Sinn, dass ich einfach weitermache. Ich habe bisher keine Dunkelheit, keine Verzweiflung, keine Depression erlebt. Damit verneine ich nicht, dass vielleicht dunkle Momente kommen, aber sie waren bisher nicht da. Ich habe viel lachen können. Das verunsichert tatsächlich auch Journalisten, die mich interviewen, weil sie nicht wissen, ob sie einfach mitlachen sollen. Dann sage ich: „Lasst mich doch einfach sterben. Das ist doch nicht das Ende der Welt.“

    Ich habe diese Ängste nicht, die andere vielleicht im Angesicht des Todes durchmachen müssen. Ich bin mir sehr bewusst, dass ich in gewisser Weise einen einfacheren Weg habe oder gehabt habe. Ich habe die Diözese immer gebeten für alle Krebskranken zu beten, und nie nur für mich. Ich will, dass sie sich bewusst sind, dass es für andere schwerer sein kann, besonders wenn es sich um junge Menschen handelt, die verheiratet sind und Familie haben und all die Sorgen über ihre Kinder und die Trauer.

    Ich bin nicht verheiratet, und das bedeutet, dass ich nicht mit der Traurigkeit umgehen muss, in Bezug auf den Ehepartner und die Kinder. Und zweitens, habe ich kein Lebenswerk, wie jemand der ein gutes Geschäft aufgebaut hat, das noch nicht so ganz auf eigenen Füssen stehen kann. Meine Arbeit ist nicht von mir abhängig. Damit meine ich, dass ich für Gott arbeite. Und Gottes Gnade tut das alles, deswegen weiß ich, dass Gottes Gnade einen Weg findet auch ohne mich zu arbeiten.

    Ich träume von Dingen die ich gerne schaffen würde. Vielleicht sehe ich noch, wie sie zu Ende gebracht werden oder vielleicht auch nicht. Aber das macht mir nichts aus, denn es gibt keinen Punkt in unserem Leben, wo wir nicht irgendetwas noch nicht zu Ende gebracht haben. Es bringt nichts zu sagen „Lass mich noch nicht sterben bis ich das fertig gestellt habe.“, denn es wird immer etwas geben, das noch nicht fertig ist. Du musst es einfach in Gottes Hand lassen und weitermachen.

    Mit Krebs leben

    Als Bischof hat man immer mit hundert Sachen auf einmal zu tun und manchmal wünscht man sich, weise genug zu sein, ein paar davon einfach aufzuschieben.  Manchmal ist es „einfach mal abwarten“, und ein andermal  ist es eine Flucht davor, die es uns auf die lange Bank schieben lässt. Dennoch will man es irgendwann anpacken. Jetzt schiebe ich nichts mehr auf. Und Dinge von denen ich geträumt habe, dass ich sie eines Tages tue, da setze ich nun alle Hebel in Bewegung, um sie auch geschehen zu lassen.

    Mein Sekretär hat mir gesagt, dass obwohl ich wegen meines Immunsystems das ganze Jahr nirgendwo hin geflogen bin, war es doch das geschäftigste  Jahr meines Lebens. Und mein Mitarbeiterstab sagt genau dasselbe. Sie waren immer ein bisschen erleichtert, wenn ich im Ausland unterwegs war, aber jetzt gibt es diese Erleichterung nicht mehr für sie!  Aber ich frage mich manchmal, ob andere Leute nicht das Gleiche tun und zu sich selbst sagen: „Während er noch hier ist, halten wir uns besser dran und erledigen den Job.“ Es bewegt sich etwas und vieles davon war fruchtbar.

    Ich predige manchmal mit den Worten eines Liedes, worin es heißt: “Leg deine Hand in die Hand des Mannes, der den Sturm gestillt hat.” Ich halte dabei meine Hand hoch und sage: „Nimm Seine Hand. Nimm Seine Hand und du kommst durch.“ Ich lade Menschen ein, die Gegenwart Gottes in ihrem Leben zu erleben. Und dann sage ich immer „Gott ist die Liebe.“ Wenn du Gott in dein Leben lässt, wirst du entdecken, dass du die ganze Zeit umhüllt, umgeben, überflutet, und erfüllt mit Liebe bist und dass es einen Weg durch alles hindurch gibt. Das versuche ich mit jedem zu teilen, der mit Krebs kämpft: du wirst den Weg hindurch finden.

    Das andere was ich sage ist: “Lass das was passiert nicht dein Leben regieren.” Sag nicht „Ich sterbe“ sondern sage: „Ich lebe. Ich lebe und durch Gottes Gnade, geschehen wunderbare Dinge.“ Und wenn du das tust, dann wird das Sterben sich von selbst erledigen und wird einfach das letzte Stadium deines Lebens sein. Wenn dich das jetzt aber schon überwältigen darf, dann zerstörst du alles was du noch hast.

    Mit jemandem leben, der Krebs hat

    Ich sage manchmal “Du liebe Zeit, wenn Du jemanden kennst, der Krebs hat, dann bleib nur nicht auf Distanz, nur weil du nicht weißt wie damit umzugehen, aber komm demjenigen auch nicht zu nahe, weil du denkst du weißt, was am besten für ihn ist.” Wir ziehen es vor, unser eigenes Leben und Sterben zu handhaben. Danke! Sei einfach ein Freund! Lass sie einen Freund haben. Das ist alles was du tun solltest.

    Es gibt diese zwei Extreme, die einen, die fliehen, weil sie nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen, oder die anderen die versuchen, dein Leben zu übernehmen. Wir mögen beides nicht, das heißt, die Leute, die alles am besten wissen und uns allen in ihrem Denken voraus sind. Man möchte mit der eigenen Integrität leben und sterben, mit der eigenen Freude und allem was dazugehört. Weißt du, man braucht keine unangebrachte Vertraulichkeit und muss auch nicht davor bewahrt werden, das eigene Leben zu erleben! Vielen Dank, genau das brauchen wir nicht.

    Sei nicht albern, ich sterbe doch nur!

    Die Leute müssen über Krebs reden. Ich bleib dabei einfach zu sagen: „Es ist doch nur Krebs. Hör auf so komisch zu reagieren. Es ist nur Krebs. Ich sterbe doch nur. Sei nicht albern!” Das mach ich nur, damit die Leute frei werden ganz natürlich darüber zu reden. Lasst uns damit leben. Versucht nicht davor wegzulaufen oder es so zu kontrollieren, dass es scheint, als sei der Krebs gar nicht da oder so etwas ähnliches.

    Ich lache viel, besonders wenn es hart auf hart kommt. Ich hoffe, dass die Leute sich fragen, warum ich so guter Dinge bin. Ich kann einfach nicht anders. Du liebe Zeit, es ist doch nur der Tod! Aber dann sag ich auch sofort, dass ich verstehen kann, dass es für manche Leute schwerer ist. Ich will nicht anmaßend klingen und auf dem Schmerz anderer Leute herumtrampeln. In meinem Fall ist es nur eben einfacher. Ich verneine auch nicht, dass es auch für mich manchmal körperlich einiges abverlangt: mir fehlt ständig die Energie und ich bin immer müde. Manchmal fühle ich mich nicht wohl oder habe Schmerzen, aber bisher hat mich das nicht abgehalten Dinge zu tun.

    Um ein Wunder beten?

    Viele Leute beten um ein Wunder für mich. Ich weiß nicht recht, was ich damit tun soll, aber sollte das geschehen, dann werde ich es einfach als das nächste Geschenk annehmen und als das nächste große Zeugnis und die nächste große Herausforderung. Ich selbst bitte im Moment um gar nichts. Ich vertraue völlig. Ich möchte viel lieber das tun, was Gott im Moment mit mir tun will. Ich muss sagen, dass ich lieber mich für etwas gebrauchen lasse, das Frucht bringt, als irgendetwas selbst zu bestimmen.

    Manche Leute werden irgendwie ungehalten mit mir, weil sie denken, ich sollte die ganze Zeit auf meinen Knien um ein Wunder bitten. Das kann ich einfach nicht. Ich denke, Gott weiß am besten was dran ist. Ich vertraue lieber was Gott im Sinn hat und lass das geschehen. Ich mach einfach weiter. Mal sehen was passiert; vielleicht braucht alles eine lange Zeit. So sieht mein Weg im Moment aus.

    Der Friede, den ich gefunden habe

    Der Friede, den ich gefunden habe ist für mich absolut mit einer persönlichen Beziehung zu Jesus verbunden. Von dort her kommt der Friede. Ich habe absolut keinen natürlichen Hang zu Krebs und wenn ich meinen eigenen Möglichkeiten ausgeliefert wäre, so bin ich ein Feigling. Aber durch Gottes Gnade hatte ich dieses große Geschenk des Glaubens in meinem ganzen Leben. Egal was geschah oder was ich getan habe, ich habe immer geglaubt. Und dieses Geschenk des Glaubens blüht nun auf. Deswegen ist es auch ganz egal worüber ich gerade nachdenke, ich sehe es immer in Verbindung mit Jesus. Ich vertraue ihm einfach in allem. Ich wünsche jedem Menschen dieses Geschenk des Glaubens, denn es trägt durch alles hindurch.


    Photo courtesy of Catholic Diocese of Townsville.

    Bishop Michael Putney
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