Russisch-orthodoxe Christen haben oft ein sehr negatives Bild vom Feminismus. Trotz der Fortschritte bei den Frauenrechten in Russland seit der Erlangung des Wahlrechts im Jahr 1917 spielen Frauen in der Welt der Orthodoxie immer noch eine klar definierte Rolle.

Bedeutet diese traditionelle Sichtweise eine Verletzung von Frauenrechten? Findet die Stimme moderner orthodoxer Frauen heute in der Kirche Gehör? Diese Fragen waren der Ausgangspunkt für mein Fotoprojekt „Ikone und Spiegel“, in dem ich das Verhältnis zwischen der Idealisierung der ikonischen Jungfrau Maria einerseits und der Behandlung realer Frauen im heutigen Russland andererseits untersuche.

Ich habe mich auf Woronesch konzentriert, eine Millionenstadt im Herzen Südrusslands, wo das Erbe der russisch-orthodoxen Traditionen geschätzt und von einer Generation zur nächsten weitergegeben wird.

Ich fand heraus, dass Frauen in den vielen orthodoxen Organisationen und Gemeinschaften Woroneschs in leitenden Positionen und als Aktivistinnen auftreten. Seit 2003 tragen die Ehefrauen orthodoxer Priester durch einen Frauenrat, der der einzige seiner Art im heutigen Russland ist, dazu bei, das Leben in der Diözese Woronesch zu gestalten. Ich frage Tatjana Wolodko, eine Presbytera, also die Ehefrau eines Priesters und ein Mitglied des Rates, warum das so ist. „In anderen Gegenden sind sie aus irgendeinem Grund zurückhaltend“, erzählt sie mir. „Frauen sind zu passiv.“

Diese Passivität stammt sicherlich aus einem Missverständnis orthodoxer Demut. Wahre Demut sollte von innen kommen, als Krone des christlichen Lebens, und den Frauen nicht durch restriktive Traditionen aufgezwungen werden, die sie davon abhalten, am Leben der Kirche teilzunehmen.

Zumindest in Woronesch halten sich orthodoxe Frauen nicht zurück. Die Frauen, die ich fotografiert habe, haben mich durch ihre innere Energie und ihr Engagement im Dienst am Nächsten beeindruckt. Ich hoffe, meine Aufnahmen zeigen, wie die Frauen von Woronesch sowohl die traditionelle orthodoxe Weiblichkeit als auch den mutigen Geist moderner Frauen verkörpern.

Ein Gemeindemitglied nach dem Sonntagsgottesdienst.

Die fünfundneunzigjährige Varvara, das älteste Gemeindemitglied der Sankt-Michaels-Gemeinde, in ihrem Haus

Nach dem Sonntagsgottesdienst, im Hof der Kirche

Theologiestudentin in der Werkstatt für Ikonenmalerei

Tatjana Wolodko, Vorsitzende des Frauenrates

Alla Lutskewitsch und ihre Tochter zu Besuch bei einem Gemeindemitglied


Alle Fotos von Pola Rader. Mit Genehmigung verwendet.